Tetenbüll
oder
einfach mal Luft holen
Der Wind peitscht mir ins Gesicht. Der kalte Regen lässt meine Glieder erfrieren. Mit grossem Kettenblatt stürme ich mit meinem Merida Reacto zum Westhever Leuchtturm. Ich schmecke die salzige Seeluft. Die Nordsee ist nicht mehr weit. Am Horizont entdecke ich schemenhaft den Turm. Er ragt 40 Meter in die Höhe. Ich durchquere den Tümler Koog. Geh in den Wiegetritt. Gebe alles. Ich spüre die Gewalt der Gezeiten. Ich brauche es, ich will in die Fresse.
Seid Jahren verbringen wir unseren Familien Urlaub an der Nordsee. Jetzt schon zum 2. Mal in Tetenbüll, ein kleines Dorf auf der Halbinsel Eiderstedt. Haus Friesenfinca ist unsere Residenz für 2 Wochen. Schön liegt das Haus, eingebettet in der Dorfmitte, im Schatten der Kirche St. Anna aus dem 1400 Jahrhundert, historischen Kolonialwarenladen Peters und dem Kirchspielkrug. Eine Institution. Hier ist mein kein Gast, hier ist man Mensch.
Es wird schlimmer. Ein Sturm braut sich über der Nordsee zusammen. Blitz und Donner, ich zähle die Sekunden. 21,22,23…Noch weit weg. Wie im Wahn trete ich in die Pedale. Umkehren, keine Option. Ich bin im Tunnel. Auf der Deichkuppe sehe ich die ersten Schafe. Dicht an dicht, um sich Schutz zu geben gegen die Gewalten der Nordsee. Flimmernt meine ich auch Personen zu entdecken. Vielleicht der Deichgraf Hauke Haien auf seinem Schimmel?
Man sagt, der Schimmelreiter hätt‘ den Teufel wohl im Bund,
kein Keuchen seines Pferdes, kein Hufschlag ward je kund.
Die Augen, sagt man, funkeln bei Ross und Reiter gleich
und wie Dämonen fliegen sie über Koog und Deich.
Es wird Mystisch. Ich denke an Papa, ich denke an Herbie, ich denke an Emilia. Sind sie heute meine Schutzengel, die mich auf meinem Höllentrip begleiten? Ich meine sie schemenhaft in der Nebelnacht zu entdecken. Den Deich erklommen, sind es nur wenige hundert Meter zum Westhever Leuchtturm. Mein Merida Reacto pflügt sich durch die aufkommende Flut. Ich stärke mich mit einem Schoko Riegel. Nur nicht in den Hungerast. Energie auffüllen. Geschafft, der Gigant in weiss und rot steht vor mir. Erbaut 1906, leuchtet sein Licht 21 Seemeilen tief in die schwarze Nordsee.
Ein letzter Blick. Endorphine, kleines lächeln auf den Lippen. Ich wende meine Maschine und stürme mit orkanartigen Böen an Wasserkoog, einem ehemaliges Fischerdorf, vorbei und erreiche in nie gekannter Schnelligkeit unser Ferienhaus. Die Friesenfinca in Tetenbüll. Miri, Elfie und Chablis erwarten mich sehnsüchtig und bei einem heissen Friesen Tee taue ich auf. Ungläubig berichte ich ihnen von meiner Fata Morgana auf dem Deich, auf der Tour zum Westhever Leuchtturm
Der Schimmelreiter reitet weiter durch Sturm und Nebelnacht,
ein Irrlicht zwischen Tod und Teufel, der Deichgraf hält die Wacht,
Hauke Haien hält die Wacht, Hauke Haien hält die Wacht.
Der Kuckuck weckt meinen wohligen Schlaf. Chablis schaut vorbei, stupst mich mit seiner nassen Schnauze. Auf in den Tag, auf in ein Abenteuer im Katinger Watt. Chablis, ein Hütehundmix aus den Karpaten ist seit 8 Jahren unser bester Begleiter, ein Freund fürs Leben. Er hat es uns nicht leicht gemacht. Wir mussten viel lernen. Sich sein vertrauen erarbeiten. Jeden Tag aufs Neue. Aber er gibt uns so viel zurück.
Das Katinger Watt ist ein Naturparadies für unzählige Tiere und Pflanzen. Enstanden durch den Bau des Eider Sperrwerk. Und eine Bürgerinitiative hat gekämpft. Gekämpft für die Natur, gegen den Kommerz eines Tourismuskonzeptes mit mehr als 20. 000 Betten. Jetzt leben dort zeitweise 30. 000 Nonnengänse. Ist das nicht schön.
Wir sind schon tief im Katinger Watt, laufen auf ehemaligem Meeresboden und hören gebannt dem Zwitschern der Vögel. Erreichen einen Siel, legen uns beide auf die Lauer. Ein Eisvogelmann taucht vor uns gekonnt ins Wasser, eine Entenschar (Säbelschnäbler) mit ihren Küken verstecken sich im Schilf. Eine Bisam Ratte, ein Einwanderer aus Amerika, nähert sich bedrohlich, wird aber mutig und erfolgreich vertrieben. Es ist spannend. Mit vielen Eindrücken schlendern wir an der Minister Eiche vorbei und gelangen zu unserem Parkplatz. Miri und Elfie warten mit einem leckeren Frühstück auf uns. So kann der Tag beginnen.
Es war unser Revier. Jeden Morgen stand Chablis mit der Leine schon parat. Wir wurden zu richtigen Vogelkundler. Gerne haben wir auch das Eider Sperrwerk besucht. Seid Jahren haben sich Küstenseeschwalben, Flussseeschwalben und Lachmöven an den Mauern ihre Nester gebaut. Es ist eine aufregende Zeit im Mai diese Kolonien bei der Aufzucht ihrer Küken zu beobachten. Lohnt sich, auch gut mit dem Auto zu erreichen. Einen guten Espresso und wer will ein Fischbrötchen gibt`s auch. Lecker. Gute Infos bekommt man nicht unweit im NABU Zentrum. Die jungen Praktikanten sind mit Freude und Eifer dabei. Erklären gerne die Tier und Pflanzenwelt im Naturpark Wattenmeer.
Auch die Natur vermag uns nichts zu geben, als was wir selber ihr entgegenbringen.
Mein Merida Reacto wartet ungeduldig auf eine gemeinsame Ausfahrt. Das Wetter wurde sonnig bis heiter. Es blies eine leichte Brise. Beste Bedingungen. Mein erstes Ziel sollte die Hamburger Hallig sein.
Mein Rennrad schnurrt wie ein Kätzchen. Leicht fahr ich die endlos weite Strassen der friesischen Küste entlang. Land so weit das Auge reicht. Schafe mit ihren neugeborenen Lämmern säumen meinen Weg. Über einen kleinen 4 km langen Damm erreiche ich die Hallig. Hungrig steige ich vom Rad. Gut das ich ein Tisch reserviert habe. Erik Brak ist ein wirklich guter Koch und hat aus seinem Restaurant Hallig Kog ein lohnendes Ziel gemacht. Ich gönne mir ein Glas Riesling aus dem Rheingau. Mit einer Husumer Krabbensuppe werden meine müden Geister wieder zum Leben erweckt. Ein Lamm über Wiesengras geräuchert verführt mir meine Sinne. Mit Miri und Elfie, die schnöde mit dem Auto mir nach gereist sind, stoße ich auf dieses kulinarische Highlight an.
Am grauen Strand, am grauen Meer und seitab liegt die Stadt; der Nebel drückt die Dächer schwer, und durch die Stille braust das Meer eintönig um die Stadt.
Ein wichtiger Grund warum wir unseren Urlaub auf Eiderstedt verbringen ist der Strand von St. Peter Ording. Wir wollen doch das Meer. Es ist oft nicht da. Ebbe und Flut im Rhythmus der Gezeiten. Die Deiche versperren den Blick. Und so ist es eine feine Sache mit dem Auto auf den Strandparkplatz zu fahren. Chablis ist immer ganz aufgeregt. Er kennt den Weg zum Hundestrand auswendig. Dort stürmt er auf Artgenossen, tobt, checkt ab und die Hundeseele ist glücklich. Der Strand ist weitläufig. Reiter, Wave Boarder, Muschelsucher und Sonnenanbeter: jeder hat seinen Raum. Die Pfahlbauten am Strand sind das berühmte Markenzeichen von St. Peter. In der Strandbar 54° Nord, bei einem vitalisierenden Cappuccino lasse ich meine Blicke und Gedanken über die Nordsee schweifen. Herrlich.
Bleibt gesund, bleibt mir treu. LG EUER COACH
Auf dem hohen Küstensande
Auf dem hohen Küstensande
Wandre ich im Sonnenstrahl;
Über die beglänzten Lande
Bald zum Meere, bald zum Strande
Irrt mein Auge tausendmal.
Aber die Gedanken tragen
Durch des Himmels ewig Blau
Weiter, als die Wellen schlagen,
Als der kühnsten Augen Wagen,
Mich zur heißgeliebten Frau.
Und an ihre Türe klink ich,
Und es rufr so süß: Herein!
Und in ihre Arme sink ich,
Und von ihren Lippen trink ich,
Und aufs neue ist sie mein.
Theodor Storm (1817 – 1888)