Eine Stadtführung auf leisen Hundepfoten

Alter? 73

Fühl mich schlapp, Halzschmerzen, die Nase läuft. Die Luft ist dünn. Eine schöne Erkältung hab ich mir da eingefangen. Nach 3 Jahren Mal wieder eine Auszeit. Höre mir eine neue Schallplatte von Bruce Springsteen an, gerade läuft „Nightshift“. Chablis stupst mich an, steht mit der Leine am Sofa. Und nun? Bleiben wir hier, gehen wir raus? Was machen wir? Am liebsten hätte ich ihm die Tür geöffnet, wie damals mit meinem Hund Cassaro (ein sehr schöner Irish Setter) den ich in meinem Dorf frei laufen lassen konnte. (Frei laufen ließ😉) Cassaro machte sich selber auf Tour, bis erboste Dorfbewohner anriefen: Ich soll meinen Scheiss Hund aus ihrem Vorgarten XY abholen. Unsere Rassehündin ist läufig, brüllten sie ins Telefon! Es waren andere Zeiten…..OK, denk ich mir, dann werde ich ihn Mal begleiten, Mal sehen wo er hin will. Er hat freie Hand. Versprochen. Eine Stadtführung der besonderen Art. Seine Stadt, sein Revier!

Hol dein Scheiss Hund ab, unserer geliebter Cassaro

In dieser Stadttour werde ich für Euch auch immer Mal wieder mein Jahr 2022 Revue 🎉 passieren lassen. Ein Blick in die Zukunft, aber für mich eine wunderbare Reise in die Vergangenheit. Mit vielen emotionalen Höhen, mit viel Lachen, Umarmungen aber auch zahlreichen Tränen. Angefangen mit der Geschichte: Stand by me

Der erste markante Stein ist an der Ecke der Hillerschule. Dort lässt er sich immer viel Zeit, versucht die Spuren zu lesen und zu guter letzt wird das Revier neu markiert. Er zieht mich weiter zu den GRAUEN PFERDEN, eine Skulptur vom Künstler Jürgen Goertz. Frührer im Mittelalter stand dort eines der Stadttore. Heute mit dem Visconti Haus, (Antonia Visconti war eine reiche Mailänder Gräfin, die im Mittelalter viel für die Stadt leistete), dem Hillerplatz ein gelungener Blickfang für die zahlreichen Touristen. Ein kurzer Blick in den Innenhof des Schlosses, kein Interesse, eher die Skulptur „Pavian“ erschaffen von Fritz Melis erregt seine Aufmerksamkeit. Wir schlendern, er schnüffelt weiter, die Fußgängerzone in Richtung Rathaus. Wir passieren das Hornmoldhaus, er läuft gezielt auf den Marktplatz, ich weiss schon, vielleicht findet er noch einen Brocken Döner mit Soße oder einen Pizzakarton. Könnte ja noch eine Pizza versteckt sein. Er ist ein Meister darin. Zu seinem Geburtstag versteck ich auch immer einen kleinen Döner. Diese Freude und stolz kann man in Hunden Worte nicht beschreiben. Ich setze mich auf einer der Bänke unter den Platanen, den Blick in Richtung Rathaus aus dem 16. Jahrhundert. Ja, der Wein und die günstige Lage an Enz und Metter hat die Stadt reich gemacht.

Alles im Blick

Im März stand mein erstes grosses Rennen wieder an. Die „La Corima“, 144 km durch die schönen Hügel der Drôme Provencal. La Saison commence ici.🏁 In Deutschland war man noch sehr strikt der Corona Massnahmen, aber in Länder wie Spanien und Frankreich vielen die Schranken! So stand dem Race in Montélimar/Provence nichts mehr im Wege. Hier die kleine Geschichte dazu: Ich bin wieder hier.

Nach dieser kleinen erholsamen Pause zieht mich Chablis weiter in die Stadt. Oh, er biegt ins Hexenwegle ein. Was er dort nur will? Eigentlich laufen wir auf der alten Stadtmauer entlang. Sie schütze nicht nur vor Räubern und Gesindel auch vor dem Wasser der Metter. Erreichen den Japangarten. Erwin Belz ein Bietigheimer Arzt wurde in Japan zur Legende. Er brachte die westliche Schulmedizin nach Japan, eine noch heute verehrte Persönlichkeit. Der Park ist klein, so für Chablis nicht wirklich von Bedeutung, aber 50 Meter weiter kommt der Overland Park (genannt nach der Partnerstadt aus Kansas,USA) und in Sichtweite die Enz mit alter Enz Brücke und dem kleinen Wasserkraftwerk. Hier ist immer was los, im Sommer Tummelplatz ausgelassener Partys junger Schüler. Auch deshalb so interessant für unsere Dönerspürnase…

Die Enz

Der Frühling kehrte jetzt auch nach Deutschland und mit meinen Jungs von der Radbande nahm ich am Lichtenstern Rennen teil. Klar, ne Geschichte durfte nicht fehlen! Mein 50. Geburtstag auch nicht mehr weit. Ein schönes Familien und Freunde Fest unter der alten Linde beim Maddin. Danke. Meine Geburtstags Rede hier und jetzt zum Nachlesen:

Liebe Familie, liebe Freunde, schön ist es hier zu sein. Hier in meiner alten Heimat,in Rottenberg oder auch Rollermisch gerufen, unter der alten Linde im Biergarten beim Maddin. Wer hätte gedacht das mein 50. uns so wieder zusammen kommen lässt. Danke das ihr den weiten oder auch nahen Weg auf Euch genommen habt. Heute bin Ich nicht der Capitano,  lieber Charlie, ich bin nicht der Coach lieber Dari, ich bin nicht der Herr Holler, lieber Matthias! Hier  bin ich der Basti und das tut gut. Hier bin ungeschminkt, muss nicht flunkern, ich muss mich nicht besser machen als ich bin. Viele Freunde sind heute hier, darüber bin ich sehr glücklich. Besonders begrüßen möchte ich Felicitas, geboren am 4. April 2022. PUNKTLANDUNG. Alles richtig gemacht liebe Anne, lieber Max. Geboren in Afrika unter einem guten Stern. Dann mit 6 jahre sah ich Rottenberg und den ersten Schnee. Super. Mit diesem Dorf verbinde ich viel. Ich bin ein Träumer,ein Hans Guck in die Luft, wie man so schön sagt. Ausser auf dem Sportplatz, lieber Trainer Herbert. Das kannst du hoffentlich bestätigen. Ich vermisse Freunde, ich vermisse heute Familie. Aber sie sind da. Das fühle ich. Ich sehe meinen Vater in grosser Form, mit seinem Schlapphut, ja nur den Tatar mit Ei konnte mann bei der Maria bestellen, schwelgt er in höchsten Tönen, mein Schwiegervater Herbie sehe ich mit den Jungs Samu, Levi und Lyam sitzen und eine Vogelbeere einschenken, vielleicht wäre  mein Schulfreund Olli vorbeigekommen und drüben sehe ich Emilia mit  Kindern  spielen. Jeder hat seine Lebenszeit, seine Lebenenergie. Zeit ist manchmal so bedeutungslos. 5 Minuten können intersiver sein als 10 Jahre. Wir sind verbunden und das auch über den Tod hinaus. Alles passiert nicht zufällig. Jeder kann sich an eine besonderen Moment mit mir Erinnern, manchmal lustig, witzig, manchmal langweilig spannend, manchmal aber auch traurig. Der ein oder andere hat mich auch mal auf den Topf gesetzt wie es gerne mein Bruder Max formuliert. Und das war gut so! 5 Jahrzehnte, 70er mit meinem Rad aus dem Müll, die ersten Gehversuche am Boppengraben, die 80er unbeschwert, nur Fussball im Kopf. Nur Fussball im Kopf. Die 90er, Generation Golf, drüben in der Georg Blass Strasse habe ich die Laterne mit meinem Golf mitgenommen. Das Millenum mit Freunden auf Sylt , mit den Buwe, war das eine Sausse! Die 00 er Jahre auf der Suche nach dem Sinn des Lebens. Dann am Nikolaustag 2007 auf der Weihnachtsfeier des TSV Kleinsachsenheim bin ich wieder auf die Erde gelandet. Die Worte meines Schwiegervater Herbie noch im Ohr: ich erschiesse dich, solltest du jemals meine Tochter nicht gut behandeln! Wie könnte ich, meine grosse Liebe Miriam Holler, geb Wöll. Die 10er jahre, ich spreche auf einmal schwäbisch und baue ein Haus,hab einen Ring am Finger, auf einmal werde ich Coach gerufen, was für eine Wandlung, nur der Windschatten der Strombergbuben kann mich retten. Heute schwelge ich von der Vergangenheit, lasst uns erinnern Anekdoten erzählen zusammen lachen, zusammen tanzen, zusammen weinen, ein hoch auf unser gemeinsames Leben. DANKE das ihr meine Familie seid, meine Freunde. Morgen haben wir auch eine Zukunft (nach dem ersten Kater) dann beginnen die 20er. Ein hoch auf das Leben.
P.S. ja, die schönen, intensiven und unvergessen Stunden am Tresen im Biströe hab ich ausgeblendet,sorry

Wir queren die Alte Enz Brücke. Linker Hand kommt der Enz Pavillon, an der Ecke der schöne Biergarten und auf der rechten Seite eröffnet sich der Blick in die Enz Auen mit Sicht auf das Eisenbahn Viadukt, das Wahrzeichen der Stadt. Chablis weiss nicht so Recht, ich glaube, hier endet sein Revier. Wir verweilen noch ein wenig im Park und schlendern zurück über die Enz Brücke und treffen auf das Ku(h)riosum, auch eine Installation vom Künstler Jürgen Goertz. Damals wohl ein grosser Affront gegen die Stadtoberen. Das Hinterteil der Kuh zeigt wohl nicht umsonst in Richtung Rathaus!

Hier endet sein Revier

Im den heißen Monaten Juni, Juli und August ist folgendes passiert: in der Geschichte ‚“sunday bloody sunday“ hab ich unser einmaliges Radsportcamp in den Vogesen mit unseren französischen Freunden aus Valréas verarbeitet und wer wissen will wie die Deutschlandtour in Stuttgart ausgegangen ist, empfehle ich: „Der Streckenposten‚😜

Chablis biegt wieder auf die Fußgänger Zone ein, leichte Musik klingt aus den netten Caffée’s, ich swinge und summe im Takt, „Don´t play that song for me… an der Ecke, der Metzger und Bäcker, war klar, für mich ein süßes Stückle von der Bäckerin und von der Metzgerin bekam Chablis ne‘ schöne Scheibe Wurst! So werden Beziehungen gepflegt.

Der September war unser Urlaubsmonat, nach dem heißen Sommer tat die Auszeit richtig gut. Zum Nachlesen, wer sich auch mit der Rente beschäftigt.☺️ Auf der Suche nach Atlanterra!

Das Untere Tor, das letzte erhaltene Stadttor passieren wir mit dem Schlachtruf: „hie gut Württemberg alleweg“. Wir laufen am Fräuleinsbrunnen vorbei, verweilen ein wenig, die Nixe oder Melusine genannt soll wohl magische Fähigkeiten besitzen und verleiht zu Glück und Reichtum. Chablis spekuliert natürlich auf einem Döner der vom Himmel fällt.

der Ofen mit Rebholz geschürt

Chablis’s Blick geht zum alten Backhäusle. Er sieht Licht, er sieht weissen Rauch aufsteigen! Der Ofen mit Rebholz geschürt, es wird wieder gebacken. Volker der Hobbybäcker begrüsst uns herzlich und kleine Schmankerln holt er frisch zum probieren aus dem Ofen. Lecker. Es ist schön, das alte Traditionen zum Leben erweckt werden. Gemeinsam Brot backen gemeinsam Traditionen bewahren. Altes Wissen.

Viele schöne Einladungen habe ich bekommen.Viele waren unerwartet, aber umso freudiger. Klar ist jeder seinen Weg gegangen, hat Familie, Beruf und neue Heimat gefunden. Gerade durch die Gespräche in lockeren ausgelassen Runden sind so viele Emotionen und Erinnerungen geweckt worden. Oft haben wir Tränen gelacht. Ungläubig mit dem Kopf geschüttelt und der häufigste Satz: Das du das noch weisst! Herrlich. Eine Einladung muss ich noch besonders hervorheben. Es war das Klassentreffen unserer Grundschule von 72/73 im Oktober. Nach 40 Jahren gemeinsam wieder vereint in unserem Klassenzimmer, es hatte sich nicht viel verändert. so war die Zeitreise wohl auch für meine Klassenkameraden sehr besonders. Wir waren alle angefasst. Den gemeinsamen Weg zu meinen tiefsten Dämonen, in das Weingut meines Großvaters war getragen der vielen guten Gespräche und der positiven Energie meiner Freunde. Danke.

Der 20. November 2022 wird mir noch lange in Erinnerung bleiben. (Es wäre der 80. Geburtstag 🎂 meines Vaters gewesen, schade das ich ihm nicht mehr davon erzählen kann) Die 162. Weinversteigerung von Hospice de Beaune begann und ich war mittendrin dabei. Eine Ehre und Ritterschlag. Klar mußte ich am Morgen um 8:00 Uhr 100 der berühmtesten Weine der Côte d’Or probieren. Ich war tapfer! 28. Millionen € wurden von Sotheby’s an diesem Sonntag erlöst. Darauf einen Crémant de Bourgogne🥂 oder doch lieber einen Bâtard Montrachet 🍷

Unerwartet biegt Chablis in die Schieringer Strasse ein, die Prachtstraße im Mittelalter, hier stehen die schönsten Fachwerkhäuser in den herrlichsten Farben, prunkvolle Ornamente an den Fassaden, mit mächtigen Eichentüren als Blickfang. Aus Kalk und Russ wurde Grau, aus Kalk und Eisenoxid Rot und die teuerste Farbe Ocker gewann man aus einem Pigment von den Steingruben der Lausitz. Die Modefarbe der Renaissance. Sehr chick, sehr teuer. Chablis hat dafür keinen Blick, er reibt nur seinen Körper am gegenüberliegenden Efeu. Markiert. Ja, die Schnauze oben, nimmt er Witterung auf, jetzt hat er Zug auf der Leine. Ich stolpere den gepflasterten Burgweg hoch. Passieren in windeseile Kelter und Stadtkirche aus dem 14.Jahrhundert. Diese Schleichwege durch die kleinen pittoresken Gassen der Altstadt kannte ich noch nicht. Es riecht nach Most, frischem Sauerkraut und lecker Zwiebelkuchen. Der Stadtbesen ist geöffnet! Ok, versprochen, ist versprochen, wir stürmen rein, Chablis schluppt unterm runden Tisch. Einen trockenen Riesling vom Schalkstein für mich und eine Schlachterplatte für meinen Stadtführer, bestelle ich bei der flinken Bedienung. Zufrieden und wohlwollendes Nicken unterm Tisch.

one Love – diversity wins🛫

One Love – diversity wins, mit diesem Slogan flog unsere Nationalmannschaft nach Qatar zur Weltmeisterschaft. Und ich hatte auf einmal 20 junge Männer, geflüchtet aus Syrien, Afghanistan, Türkei und Georgien, auf einem alten Bolzplatz hinter der Schule, um mich geschart. Ich war wieder DER COACH! Viele Freunde haben für mich ihren Kleiderschrank geplündert. Danke für Schuhe und Sportkleidung. Es ist ein gutes Gefühl wenn man geben kann. Ein Alphonso Davies (geboren im Flüchtlingslager Buduburam), ein Vedad Ibisevic (Bosnienkrieg) oder ein Mahmoud „Mo“ Dahoud (geflohen aus Syrien) sind nicht unter den geflüchteten Spielern. Sie können alle nicht kicken, aber sie haben Herz und Leidenschaft! Was will man mehr.

Frohe, besinnliche, vor allem friedvolle Weihnachtstage. 🎄 Ein gutes Neues Jahr 2023🎉🪅🧨

Bleibt gesund, bleibt mir treu. Euer Coach (Basti)

Verlängerung

Niemals geht man so ganz….
Hoch soll er Leben🎉
Immer wieder gerne,euer Flying winemaker 🍷
Impressionen 2022 der Radbande im Stromberg, genannt die #strombergbuben 💪
Mein Abschluss,was ich noch zu sagen hätte