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Straßburg

Straßburg

Es ist kalt, nasskalt im November. Mit meinem Merida Reacto bin ich mutterseelenallein auf der Passerelle des deux rives unterwegs. Unter mir der deutsch französische Grenzfluss Rhein, vor mir im Abendrot die Vogesen und schon in Sichtweite der Straßburger Münster. Ich gehe in den Wiegetritt. Ich erinnere mich. Schon einmal, vor dreißig Jahren, fuhr ich mit meinem Bianchi aus Stahl nach Straßburg. Unter dem Titel „Radeln für Europa“ mit meiner Schulklasse aus Aschaffenburg. Damals existierte diese Brücke nicht. Europa wächst zusammen.

Als Symbol für das zusammenwachsende Europa überspannt sie den Grenzfluss Rhein. Am 4. April 2009 trafen sich anlässlich des 60-jährigen Bestehens der NATO die Staats- und Regierungschefs der NATO-Staaten auf der Rheinbrücke zum symbolischen Handschlag.

Ah, linker Hand sehe ich meine Jugendherberge von damals, Auberge de Jeunesse Strasbourg 2 Rives. Welch eine schöne Erinnerung. 20 junge Männer auf den Drahtesseln nach Strassburg. Waren wir glücklich nach 150 km auf zwei Etappen unsere Jugendherberge erreicht zu haben. Das Bier lief in strömen. Zaghafte anbahnungsversuche mit den hübschen Mädels aus Lyon ohne Sprachkenntnisse nur mit Händen und Füssen wurde von Erfolg gekrönt. War ich stolz und glücklich. Und damit reifte die Überzeugung: wir müssen den Mut haben Grenzen zu überwinden!

Europa wird sein früheres Ansehen nur wiedererlangen, wenn es wieder zu einem Maßstab für Gewissen, Lebenseinstellung und Recht wird.

Louise Weiss

Drei Tage von Straßburg, drei Tage im Herzen Europas, drei Tage mit Mama Christa, Hubert, gebürtig aus dem Jura, mit Kräuterfee Miri und natürlich darf unser Hütehundmix Chablis aus den Karpaten nicht fehlen. Drei Tage voller spannender Einblicke in die Region Elsass Lothringen. Im Schatten vom Straßburger Münster überquere ich die kleinen Kanäle der Ill, passiere das Quartier Petit France und biege scharf in die Rue de Glacières ein. Unser Hotel Les Hara für drei Nächte. Ich werde erwartet. Küsschen links, Küsschen rechts.

Küsschen links, Küsschen rechts 😘
Freude, schöner Götterfunken,
Tochter aus Elisium,
Wir betreten feuertrunken,
Himmlische, dein Heiligthum.
Deine Zauber binden wieder,
Was die Mode streng getheilt,
Alle Menschen werden Brüder,
Wo dein sanfter Flügel weilt.
Europa wächst zusammen

Das Hotel fein, von Ludwig XV. als Nationalgestüt erbaut und 1922 unter Denkmalschutz gestellt. Die königlichen Stallungen standen jahrelang leer und drohten zu verfallen, bis der Chirurg Jacques Marescaux die Initiative ergriff und sie sanierte. Ich spring in den hauseigenen Pool, mach mich frisch. Bereit für die gute elsässische Küche. Das Finkstuebel erwartet uns. Urig, gemütlich und köstlich. Wir treten ein in die warme Stube, ein kleiner Tisch in der Nische, bunte Tischdecke, eingedeckt mit Messer, Gabel, rote Servietten, Römer Weingläser aus den 70er, eine Zeitreise. Hubert im Jura geboren, kennt sich aus. La choucroute garnie ruft er heraus ou Tourte briochée au foie gras de canard, est délicieuse. Bibeleskaes et ses herbes, bon plat végétarien, ihr seid heute meine Gäste, in meiner Heimat. Ich schau schon Mal in die Weinkarte hinein. Ein Wein aus dem Cave Historique des Hospices de Strasbourg, ein Kaefferkopf Alsace Grand Cru vom Weingut Kuehn könnte ich mir gut vorstellen, sage ich in die Runde. Wir sind in einer Winstub, nicht in einem Gourmet Tempel, schüttelt Mama Christa den Kopf. Hier gibt es einfache, ehrliche Weine. Recht hat sie. So viel die Wahl auf einen Riesling aus „Alten Reben“vom Weingut Ruhlmann-Dirringer. Sehr zu empfehlen 😋

La passion des vins et l’amour des vignes

Domaine Ruhlmann-Dirringer, Dambach la Ville

Der nächste Morgen. Der Nebel wabert die Ill entlang. Ein Fluss, entsprungen im Jura, auf den Weg in den Rhein. Mit der Leine in der Hand trotte ich im Morgengrauen durch die Altstadt. Gerüche der vergangenen Nacht, Chablis erobert Straßburg, erobert sein Revier. Quartier Petit France gehört jetzt ihm! Die Ausflugsboote vertäut, schunkeln im Wind. Überqueren den Kanal, Müde Kirchgänger queren unseren Weg. Die Cathédrale Notre Dame taucht in der Morgendämmerung auf. Imposant. Aus Vogesensandstein. Bis in die Neuzeit das größte Bauwerk der Erde.

Der Nebel wabert die Ill entlang 🦢

prodige du gigantesque et du délicat »

Victor Hugo

Auf dem Rückweg treffen wir auf die Bronze Statue von Albert Schweitzer, Friedensnobelpreisträger, der verträumt, mit übereinander geschlagenen Beinen auf einer Bank weilt. Ein Satz in 13 Sprachen steht dort geschrieben: „Ehrfurcht vor dem Leben“

Albert Schweitzer

Zurück im Hotel, ein Grand Café, ein Croissant mit ordentlich Butter. Das Frühstücksbuffet lässt keine Wünsche offen. Später eine Sightseeing Tour auf der Ill ,schlage ich vor. „Oh ja“, sagt Mama Christa, „Straßburg per Boot erobern, das macht Laune, das wird lustig“ und wirft ihren Krückstock in die Ecke.

Das Gefühl ist unbeschreiblich. Du gehst an Bord eines sanft schaukelnden Ausflugsschiffes und schon öffnet sich dein Herz. Du sitzt einfach gemütlich da, atmest tief durch und lässt dich ab jetzt über’s Wasser schippern. Du guckst links und rechts, trinkst deinen Kaffee, und die historischen Altstadtfassaden, Kirchtürme, Brücken und Boote ziehen langsam und freundlich wie alte Bekannte an dir vorüber. Straßburg geht dir direkt unter die Haut.

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Claude-Joseph Rouget de Lisle komponierte 1892 in Straßburg die „Marseillaise“

Ihre Besichtigung beginnt an der nur 150 m vom Straßbürger Münster entfernt gelegenen Anlegestelle zwischen Rohan-Palast und Alter Fleischerei, in der heute das Historische Stadtmuseum untergebracht ist. Kaum dass die Leinen los sind, erkunden Sie bereits das Alte Zollhaus und das vor den Toren der Petite France gelegene Stadtviertel Finkwiller. Die erste Schleuse führt Sie in das Herz dieses Fachwerkviertels, das noch jeden restlos verzauberte. Ein Stück weiter warten die Gedeckten Brücken und der Vauban-Damm auf Sie, allesamt Überreste der unter Ludwig XIV. errichteten Befestigungsanlagen der Stadt. Bevor Sie die zweite Schleuse überqueren, führt Sie Ihr Weg entlang der Mauern der Commanderie Saint-Jean, deren renovierte Gemäuer seit 1991 die Ecole Nationale d’Administration (ENA, Nationale Hochschule für Verwaltung) beherbergen.

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Der Nachmittag, ein Spaziergang im angrenzenden Park, die Blätter fallen leicht im Wind. Der Himmel grau über Straßburg. Novemberfeeling. Ein Bad im Hamam verspricht die müden kalten Glieder aufzuwärmen.Ein Besuch im Spa zeigt seine wohltuende Wirkung🧖🏻

Am Abend ein Besuch wieder in einer Winstub.Diesmal sind wir im Tire Bouchon zu Gast. Im Schatten von der Kathedrale Notre Dame gelegen. Sieben Schläge erklingen. Die Messe ist zu Ende, der Organist spielt die letzten Akkorde.Wir treten ein. Der Weihrauch in der Luft, diffuses Kerzenlicht erfüllt den Raum. Gottesfürchtig.

Notre Dame

Der nächste Tag stand im Zeichen der Elsässer Weinstraße. Mein Merida Reacto auf 8 bar aufgepumpt, Proviant in der Rückentasche,Wasser in den Trinkflaschen. Je suis prêt. Strassburg wird zu Fahrradstadt, breite Fahrrad Straßen, mit schneller Ampel Führung geht mein Weg am Canal de la Bruche entlang. Ich passiere Obernai steuere auf Barr zu. In Heiligenstein lege ich einen Sprint ein, wie damals 2019 bei der 5. Etappe der Tour de France. In Barr lege ich einen Stopp ein und lasse mir die guten Weine von Domaine Klipfel schmecken. Besonders der Crémant Rosé weckt meine müden Geister (Beine). Ein Clos Zisser aus dem Kirchenstück von Barr ist Doping für die Sinne. Weiter geht’s immer weiter. Mein nächster Ort Dambach la Ville, die Riesling Hochburg. Für eine Kostprobe bleibt keine Zeit. Ich trete in die Pedale, schnell, die Hügel hoch und runter, erstürmen ich die Haut-Königsbourg und hole mir die ersten Bergpunkte. Nach einem Schluck aus der Trinkflasche und einem Powergel, rase ich die Serpentinen der Vogesen wieder runter, passiere Ribeauville und Riquewihr. Nehme noch Kaysersberg in Angriff, dem Geburtsort von Albert Schweitzer und nach wenigen Kilometern habe ich Ammerschwihr erreicht. Mein Ziel an diesem Tag. Dort, im Weingut Kuehn erwartet mich Mama Christa, Hubert aus dem Jura, Miri die Kräuterfee und Chablis der Hütehundmix aus den Karpaten. Wir steigen tief in die Gewölbekeller, die schon im zweiten Weltkrieg Schutz boten. So geht ein ungewöhnlicher Rennradtag im Elsass am Feiertag 11. November feucht fröhlich zu Ende. (Waffenstillstand in Compiègne zwischen dem siegreichen Frankreich und dem Deutschen Reich auf einer Waldlichtung bei Rethondes.1.Weltkrieg )

Kuehn, Ammerschwihr 🍷

Das Elsass ist so nah und uns doch so fern. Straßburg besitzt eine spannende 2000 jährige Geschichte. Sie ist zu Recht Europa’s Hauptstadt. Davon konnten wir uns überzeugen. In der Brasserie „Les Haras“ lassen wir die Tage, die Intensiven Stunden Revue passieren. Noch einmal bekommen wir die deutsch französische Freundschaft zu spüren. Speisekarten in Deutsch oder Französisch werden ausgelegt. Die Speisekarte strotzt vor internationalen Kreationen, aber auch von einer feine „Haut Cuisine“ Handschrift. Die Weinkarte geprägt vom Stolz der Elsässischen Grand Cru Weine. Und ja, zu Recht.Santé 🥂

Geprägt vom Stolz der Elsässischen Weine🍷

Garder intact :

Le bruissement de la terre, la couleur du temps, l’éclat du raisin, l’énergie du vivant,
Cette part d’inconnu, la précision et l’élan,
L’émotion d’un vin, tel un poème au vent.

Celine Meyer

Bleibt gesund, bleibt mir treu.

Der Coach (Basti)

Deuxième Cru

Sunday bloody Sunday

Sunday bloody sunday

oder

How long must we sing this song ?

Es ist kein Sonntag, kein blutiger Sonntag. Es ist heiss an diesem Donnerstag im Juni, sehr heiss. Ich stehe im Wiegetritt mit meinem Merida Reacto in der Vogesen Wand. Ich nehme meinem Radhelm ab um meinen Kopf mit Wasser zu kühlen. „Helm wieder aufsetzen“ brüllt Stefan von der Radbande mir zu, sonst bekommst du einen Sonnenstich! Vor hundert Jahren im 1.Weltkrieg hätte mich ein französischer Scharfschütze ins Visier genommen. Kopfschuss.

Auf Einladung unserer französischen Radfreunde vom VCV Valréas zu einem gemeinsamen Radsportcamp in Gérardmer, Vogesen bin ich mit den #Strombergbuben kommend aus Freiburg unterwegs. Ich denke an den Krieg im Donbass, (der sich zu einem erbitterten Stellungskrieg entwickelt) ich summe sundy bloody sunday von U2 vor mich her. How long, how long must we sing this song? Ja, vor hundert Jahren war hier in den Vogesen auch ein erbitterter Stellungskrieg. 30.000 deutsche Soldaten und bestimmt genauso viele Franzosen haben hier in den Bergen ihr Leben verloren. Was wird mich erwarten? Wie werden wir empfangen? Als Freunde, als Gegner, als Feinde oder als Brüder im Geiste? Wir erreichen Col de La Schlucht, rollen nach Gérardmer. Ein feiner hübscher Ort in den Vogesen Bergen auf Höhe von 600 Meter gelegen, unser Domizil für die nächsten 4 Tage. Die Sonne lacht, unsere französischen Radfreunde erwarten uns schon sehnsüchtig und bereiten uns einen warmen herzlichen Empfang. Wir verabreden uns für den nächsten Tag um 9:00 Uhr. Dann führt uns die Tour zum Grand Ballon! Ensemble.

Am Abend kochte Felix ein grossen Topf Spaghetti für die hungrigen Strombergbuben. Keiner von uns war je hier in den Bergen, keiner kennt die Steigungen, keiner kennt die gefährlichen Abfahrten. Es wird noch angeregt diskutiert. Mit vollem Magen und ein Glas Bier Kronenbourg  geht jeder mit seinen eigenen Gedanken, Wünschen und Hoffnungen auf den nächsten Tag zu Bett.

Die Sonne lachte, nach einem Petit Dejeuner mit frischem Baguette, knusprige Croissants mit dick Butter drauf, einem Schluck Kaffee erreichen wir mit unseren schicken Merida Reacto, Renn Maschinen, die im Sonnenschein blitzten, unseren Treffpunkt hoch über Gérardmer im Skigebiet. Ein grosses Hallo Bonjour und shake hands mit unseren Freunden aus Valréas Es war angerichtet.

Le Markstein 1183

Das Peleton angeführt von Bruno Lauzier, setzte sich in Bewegung. Gemeinsam starten, gemeinsam ankommen. Schön ging es aus Gérardmer am See auf sanften Strassen entlang heraus. Das Tempo war moderat. Felix und Marc waren nervös, wollten schneller, zeigen was sie drauf haben. Wie junge Rennpferde beim Start in der Box. Nur ruhig Brauner, nur ruhig. Die ersten kleinen Cols wurden gemeinsam erreicht. Ich sah besorgt in den Himmel. Regenwolken zogen auf, es wurde merklich kühl. Ich hatte nur eine kleine Windweste dabei. Ein Fehler. Aber ich wollte Gewicht sparen. Wir bogen in die Passstrasse zum Grand Ballon ein, jetzt flog das Feld auseinander, jeder musste sein Tempo finden, sein Rhythmus. Die jungen fuhren jetzt wie entfesselt, sie waren in ihrem Element. Die jungen Franzosen hatten die Aufgabe bekommen den Deutschen als Wasserträger und Edelhelfer zur Verfügung zu stehen. So hatte ich stets den starken Teddy und  Alban an meiner Seite. Wie zwei französische Hütehunde liessen sich mich nicht aus dem Blick. Oben kurz vor am Gipfel spürte den Eisregen auf meiner Haut, der Wind peischte mir direkt ins Gesicht, die letzten kehren, den Gipfel im Blick. Adrenalin, pure Freude. Oben auf der Station, Schulterklopfen, rein ins Warme. Ein willkommener und wichter Espresso Stopp. Die Franzosen waren gut vorbereitet, hatten einen Besenwagen dabei. Teilten das mitgebrachte Baguette mit uns. Eine nette Geste!

So, nach dieser Pause, raus in die Kälte, raus in den Regen, raus in den Wind der um den Grand Ballon pfeifte. Charlie der alte Haudegen zog sich schnell noch eine alte Zeitung unters Trikot. Ein Trick aus alten Renntagen in denen mann  noch mit schweren Baumwollklamotten und mit Radschuhen die man an die Pedale gezurt hatte die Berge erklomm, berichtet er mir.

Alter Haudegen Charlie

Es gibt eine Strasse, die nennt sich Route de Crêtes. Eine Strasse die keine Dörfer verbindet. Eine Strasse im Schutze der Gipfel auf französischer Seite. Gebaut im 1.Wektkrieg um die Militärs mit Nachschub zu versorgen. Auf dieser Strasse fahre ich mit Tempo im Windschten der schweren Jungs 1. Präsident Wesley Lane und 2. Prasident Fabrice Winaud vom VCV Valréas. Nur nicht abreissen lassen, ich mach mich klein auf meinem Merida Reacto, das Tempo ist mörderisch. Immer wieder geht Fabrice aus dem Sattel mit seinen dicken Oberschenkeln. Hält das Tempo hoch, keine Verschnaufpause, selbst hinter diesem französischen Qualitatswindschatten! Aber wie geil ist den das. Hundert Jahre nach Kriegsende sause ich diese Strasse entlang. Kein Atilleriefeuer, keine Scharfschützen muss ich fürchten. Nur eins: drannbleiben!

Route de Crêtes

In Géradmer kommen wir dann gemeinsam  (wie versprochen) wieder an. Ein freudiges „a demain“ von unseren Französischen Radfreunden aus Valréas. Der nächste Tour Tag hat es in sich. 150 km 3000 Höhenmeter sind im Roadbook angegeben. Hoffenlich wird das Wetter besser. Sonst sterbe ich.

Planche des Belles Filles oder Super Planche des Belles Filles, diese Worte lassen jeden Rennfahrer erschaudern. Dort wurde die Tour de France schon entschieden, auf dem Weg zum Gipfel haben sich Dramen abgespielt. Greipel hatte seine Rennmaschine über die Ziellinie getragen. Dort wollen die Franzosen mit uns hoch. Was haben sie mit uns vor? Wollen sie uns leiden sehen?

Super Planche des Belles Filles 🥵

Die Morgensonne über Gérardmer lachte, die Gewitterwolken der Nacht hatten sich verzogen. In zweier Reihen führte uns Bruno und Jacques aus dem Ort über den ersten kleinen Col de Rupts. Meine Beine waren gut, erstaunlich gut. Mit Tempo wie an einer Perlenkette gereiht fuhren wir die schönen Täler der Vogesen entlang und in Windeseile errichten wir Thillot und begrüßten die mit dem Auto angereisten Radfahrer, die sich ein paar Kilometer sparen wollten. Im grossen deutsch französischen Peloton fuhren wir freudig weiter. Nichts ahnend was dort noch auf uns zu kam. Der erste Anstieg, die ersten steilen Rampen, ich glaub die wollen uns verarschen, die wollen uns grillen, die wollen uns leiden sehen. Das kann doch keine normale Strasse sein? Über 18%. Ich kotz. Ich fahre mit einer Profimaschine, Kompakt 52/36, Kassette 11/32. Im Wiegetritt versuch ich meinen Rhythmus zu finden. An meiner Seite Präsident Charlie. Gottseidank, er muss auch leiden, muss auch kämpfen. Oben am Col wird jeder noch mal die letzten Meter angefeuert. Ich entdecke ein Schild. Ja, hier ist auch die Tour de France gefahren und Thibaut Pinot hält mit 11:28 Minuten den Rekord.

Col de Chevreres 916 Meter

Ein Erinnerungsfoto, warten auf den letzten. Einfach guter Radsport. Jetzt die Abfahrt nach Planche les Mines, der Start in den Berg, in den Mythos, in dem schon die Tour de France entschieden worden ist. Teddy steckt mir noch schnell einen Riegel zu, ich nehm‘ ein Schluck aus der Trinkflasche. Jetzt ist jeder auf sich allein gestellt. Ein grosses Poster am Wegesrande. Jan Ulrich in lebensgross auf seiner Rennmaschine mit entschlossenen Blick motiviert mich auf meine letzten Reserven zu greifen. Ich geb‘ alles. Die letzte Kehre, die letzten 18 %! THIBAUT PINOT , THIBAUT PINOT, THIBAUT PINOT in grossen Buchstaben auf der Strasse signalisieren mir das Finale. Ich versetze mich in einen Tour Sieger. Das Trikot zu ziehen, freihändig nehme ich die Siegerpose ein. Applaus, Applaus  Applaus. Fahre ich dem Ziel entgegen. Gutes Gefühl, so ein Tour Sieg.

Ein Tour Sieg?

Wer nun gedacht hat, das war’s. NEIN. Ein Col musste noch erklommen werden. Ballon de Servance 1216 Meter Hoch. Kleine Strassen, frei von Autoverkehr, frei von Motorrädern, frei von jeglichem Lärm der Civilization. Charlie nimmt Jacques Leclerc im Windschatten mit, jetzt sind die Rollen vertauscht. Der Deutsche gibt dem Franzosen die Unterstützung die er braucht um gut den Berg zu erklimmen. Ich lass abreissen, muss meinen eigenes Tempo mit meinem Merida Reacto am letzten Col finden. Die Strombergbuben wissen: Der Coach kassiert sie alle in der Abfahrt. Und so wars. Den Bremspunkt immer am Limit, nochmal aus der Kurve beschleunigen, ungläubigen, verwunderten Blicke meiner Radfreunde aus Valréas rausche ich an ihnen vorbei in das Tal und erreiche als erster das Ziel. Kleiner Spass. Schön wars.

Bruno, Teddy, Jaques, Pierre, Alban, Maurice, Didier kamen an mich herangefahren, klopften mir herzlich auf die Schultern. Ein kühles Bier und ein gutes Abendessen heute Abend bei uns sprach der 1.Président Wesley Lane die Einladung aus. Das habt ihr Euch verdient, lobte Bruno die deutsche Equipe! Grosse Freude bei den Strombergbuben. Am Abend wurde gut getrunken, gut gegessen, es wurde viel gelacht! Präsident Charlie hielt eine Staatstragende Rede und betonte wie wichtig die Deutsch – Französische Freundschaft für Europa ist. Wir haben viel in den letzten 70 Jahren erreicht. Aber das erreichte zu behalten, zu erhalten, sind immer wieder Anstrengungen nötig. Nichts ist selbstverständlich. Wie am Berg: wir brauchen Wasserträger und Edelhelfer. Das Peloton ist immer stärker als der einzelne Ausreisser. Überwinden wir Grenzen, überwinden wir Sprachbarriere, überwinden wir Vorurteile. Liberté, Égalité, Fraternité

Charlie und Bruno tauschten die Trikots und bekräftigten durch diese Geste ihre Freundschaft. HERZERGREIFEND

Charlie💪🇩🇪 et Bruno🤝🇨🇵

Radfahren ist kein Spiel, Radfahren ist ein Sport. Hart, unnachgiebig und unerbittlich und man muss auf vieles verzichten. Man spielt, Fussball oder Tennis oder Hockey. Aber man spielt nicht Radfahren - Jean de Gribaldy

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