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Toujour Provence

Toujour Provence

„Schöne kleine Straßen“, sagte Bruno mit einem feinen provençalischen Akzent auf einer Anhöhe von Piégon in der Mirabel aux Baronies. Die Sonne stand hoch, tief atmete ich die klare provencalische Luft ein, nahm einen Schluck aus meiner Trinkflasche und wiederholte auf französisch,“magnifique, Oui, petits chemins“ und klopfte ihm anerkennend auf seine schmächtigen Schultern. Ich war wieder in der Provence, ich war wieder in Valréas, ich war wieder bei Mama Christa. Frei nach dem Welterfolg von Peter Mayle „Mein Jahr in der Provence“ werde ich Euch meine 7 Tage im März in der Provence beschreiben.

Piégon
Jeudi

Die Dachbox auf dem Autodach, mein Merida Reacto zwischen Taschen, Koffern und Schwiegermutter geklemmt, Hütehundmix Chablis 🐕 nahm gemütlich im Kofferraum Platz, Miri schloss die Haustür. Nous sommes prêts, ab in den Süden, ab auf die Route de Soleil.🌞 Nochmal Tanken vor der Grenze, bis Oberkante voll, in Frankreich gab es Streik, das Benzin wurde knapp. Der Präsident Macron war Zielscheibe wütender Ausschreitungen. Ja, das kennen wir so in Deutschland nicht, aber es ging um die Rente und da verstehen die Franzosen keinen Spaß. Ich bekomm einen Anruf: Michel von der Radbande ist am Ende der Leitung. „Chef hat mir Urlaub gegeben, ich komme, ich sitze schon in meinem Citroen C2, ich fahre mit Dir die „La Corima“. Super rufe ich freudig in die Freisprechanlage!“ Wasserträger, ein Edelhelfer an meiner Seite für das 144 km lange, anspruchsvolle Rennen in der Drôme Provençal, genannt „La Corima“. Fritzie der Familienhund begrüßte uns schwanzwedelnd, Mama Christa lugte aus dem Fenster und wedelte freudig zur Begrüßung mit ihrem Küchentuch. Bernd, der Handyman und guter Freund aus Deutschland erhob sich kurz von seiner Arbeit, Hubert, Antroprosoph, französischer Freund von Mama Christa rief uns ein Bienvienue á Valréas zu! Am Abend bei Baguette, Käse und Wein schmiedeten wir unsere Pläne für die kommenden Tage. Allons-y.

Bienvienue á Valréas
Vendredi

Die aufgehende Sonne begrüßte mich am nächsten Morgen die gerade über die Hügel von Valréas aufging. Ich war für das Frühstück verantwortlich, so schnappte ich mir die Baguette Tasche und fuhr zu zur Boulangerie Marie Blachère. Eine grosse Bäckerei Kette an der Ausfahrtsstraße nach Nyons gelegen. Lecker duftiges, warmes Baguette, frische buttrige Croissant, kleine gefüllte Beignet. Ein Art Kreppel (nur Rottenberger wissen das es ein Berliner ist) in Minivormat. Deux Brownie et trois Pain aux chocolat rief ich der hübschen Verkäuferin zu. Mit einem charmanten „Merci et à demain“ verließ ich Marie Blachère. Schwarzer Kaffee, Grüner und ein Earl Grey brühte ich gekonnt auf. Verschiedene Marmeladen, ein Lavendel Honig, Käse und Wurst….Hab ich noch was vergessen? Wo sind die Eier von glücklichen Hühnern?

Espresso Stop

Michel bereitete sich schon auf unsere erste gemeinsame Tour in der Provence vor. Die Reifen auf 7,5 bar, Wasser in den Trinkflaschen, auf das Gesicht und auf die Waden Sonnencreme. Ich bereitete derweil die Lammkeule für unser Abendessen vor. Knoblauch, Salz,Pfeffer und die guten Provençalischen Kräuter nicht zu vergessen. Lecker. Ich hatte eine gute Tour geplant, sie ging nach Saint Maurice sur Eygues in die Baronies, den Mont Ventoux im Blick, über den Col de La Croix Rouge in die Drôme Provençal. Hoch über den Col de Valouse nach Dieulefit. Ein Mhh, Ahh, ein Ohh, Michel war in seinem Rennradfahrer Glück. Die beste Vorbereitung für „La Corima“, der Col de Valouse war auch Teil der Rennstrecke, so war es eine gute Übung. Wir diskutierten viel, mehr über Landschaft und Leute, mehr über Essen und die Liebe. Die Provence schärft deine Sinne, die Provence verleiht dir Flügel. In Dieulefit, die Töpferstadt, einen guten Crêpes, einen guten Petit Café. Während der Tour konnte ich nicht mehr aufs grosse Kettenblatt schalten. Merde, meine Batterie auf Sparmodus und mein Ladekabel DI2 in Deutschland gelassen.! Ein Hilferuf beim Bruno vom Radsport Club VCV Valréas. „Je me reisegne“, so seine Antwort. Die Telefondrähte glühten heiss, sie versuchten alles um mir aus der Patsche zu helfen. Nach der Tour gönnte ich mir ein Bier Blonde (Günzburger Helles, aus Deutschland 🍻😉) und schob die Lammkeule in den Ofen! Bei einem guten Bio Wein aus Visan mundete das Abendessen vorzüglich. Une régale.

Col de Valouse
samedi

Der Tag vor dem Rennen. Am Abend sollte es eine Fischterrine auf Salat, gegrillte Garnelen und Eis mit heißen Himbeeren geben, dafür gingen wir in den lokalen Intermarché und hatten eine grosse Einkaufsliste. Miri stöberte beim Obst & Gemüse, ich verschwand in der Weinabteilung. Alle namhaften lokalen Winzer waren vertreten. Ich entschied mich für einen leckeren Rosé „Lisa“ von Domaine Lauribert und einen 2018 Valréas Village von Mireille et Vincent. In Vinsobre besuchten wir die Landwirtschaftsmesse. Ein netter Zeitvertreib. Mit einer weiss blühenden Cistrose, einem Chêne blanc, geimpft mit dem Trüffel Myzel und den den Geschmack der guten Grand Cru Weine am Gaumen verließen wir Vinsobre. Am Nachmittag tauchte Bruno auf und hatte für mich das so wichtige Ladekabel DI2 dabei.Meine Rettung. Ein Grande Merci!

Grand Cru Vinsobre
dimanche

6.00 Uhr. Kein frisches Baguette, kein warmes Croissant, keine gefüllten Beignet. Nein, Quark, Müsli mit Bananen, Datteln gab es zum Frühstück, Wir brauchten Zucker, wir brauchten Kohlenhydrate wir brauchten Fett. Energiespeicher auffüllen. Es wird ein langer Tag. Ein Renntag. Hunderte von Radrennfahrer waren schon vor uns am Start, wir konnten uns nur hinten einreihen in die lange Schlange. 2400 Starter warteten auf den Startschuss zu 12′ Edition „La Corima“. Die ersten Kilometer waren wir gemeinsam im Peloton unterwegs Ich, der Capitano und Michel, mein Edelhelfer. Die Berge im Nebel gehüllt, dauernder Nieselregen machte die Strecke zu einer Herausforderung. Die Straßen glatt, das Spritzwasser im Gesicht. Wir hatten uns stets im Blick, das gelbe Trikot der Stuttgardia immer in Sichtweite. Michel war gut drauf. Michel war meine Lokomotive. Kurz vor dem Gipfel am Col de Valouse zeigte Michel was in ihm steckt und lancierte eine Tempoverschärfung der wir alle nicht folgen konnten.Er holte sich den KOM (King of Mountain). Einfach mal Muskeln zeigen! Die Franzosen waren beeindruckt.(darüber wird in Valréas noch in Jahren erzählt werden!) Ein letzter Anstieg am Col Haut Aleyrac, gesäumt von vielen Fans aus der Umgebung, Jean-Pierre klatschte mich ab und rannte wie der Teufel Didi Senft ein paar Meter mit, dem Gipfel entgegen. Das Ziel war nicht mehr weit. Im Sinne des Belgischen Kreisel stürmten wir nach Montélimar. Mit einer 90 Grad Kurve rasten wir auf die Zielgerade ein. Michel eröffnete den Sprint, hielt lang das Tempo hoch. Ich konnte mich an sein Hinterrad setzen, scherte im richtigen Zeitpunkt aus seinem Windschatten. Gagné🏁

lundi

Mistral kam über Nacht. Es heulte und stürmte um das Haus. Richtig zum fürchten,wenn man es nicht kennt. Am Frühstückstisch wurden unsere Erlebnisse, unsere Eindrücke vom Rennen lebhaft wiedergegeben. Schneller, härter, gefährlicher, natürlich mit einem Augenzwinkern. Der Markt von Tulette war unser Ziel am Vormittag. Ein neuen schicken Korb für Miri, Obst und Gemüse, Käse und Wurst im Einkaufskorb, danach ein Espresso Stop (Michel erzählte den umstehenden Franzosen, ich wäre der Sohn von Bernard Hinault.Grosse Aufregung….. ,) 3 Flaschen Wein von der kleiner Domaine de la Rouge Jouvence. Anschließend einen Rundgang im Schloss von Suze la Rousse, ein schöner Montag Vormittag in der Provence.

Am späten Nachmittag noch Mal die Beine lockern, gegen den gefürchteten Mistral.Macht wirklich keine Laune.Bleibt daheim, wenn er bläst und durch die Straßen fegt.

mardi

Ich wachte auf und hörte nur das zwitschern der Vögel. Der Wind hatte sich gelegt, die Sonne ging über den Dächer von Valréas auf. Es sollte ein schöner Tag in der Provence werden. Bruno kam vorbei und lud uns zu einer Radtour ein. Après Midi, 13:30 heure,? Bien. Wir hatten noch Zeit auf einen Kurzbesuch zum Kloster Aiguebelle. Ein Zisterzienserorden der strengen Observanz (auch „Trappisten“ genannt) mit einer Lourdes Quelle (die Trinkflaschen wurden gefüllt) und den besten Pastis der Welt.

Fontaine Aiugebelle

Ich zog das Trikot des VCV Valréas über, die Trinkflaschen gut gefüllt, die Reifen auf 7,5 bar rollten wir zum Treffpunkt. Bruno hatte zu Ehren unserer Freundschaft, zur Ehre der Jumelage Valréas und Sachsenheim das deutsche Radbande Trikot übergestreift. Jean-Pierre kam noch dazu, so waren wir zu Viert. Es wurde zu meiner schönsten Radtour. Mein Herz ging auf, die Sonne lachte, der Himmel so blau, alte Olivenbäume säumten unsere Wege, die ersten Mandelbäume in blühte und unsere französischen Freunde waren die besten Capitane, die besten Edelhelfer die sich ein deutsch – französisches Radsportteam nur wünschen konnte. Launig mit Dampf in den Beinen zeigten sie uns ihre „kleinen Straßen“ Sie waren stolz. Stolz auf ihre Hâute Provence 🌞 Bei einem Leffe Bier auf der Sonnenterrasse von Jean-Pierre endete unserer einmaligen Radtour. Merci.

mercredi

Der Tag der Abreise. Ich verlier nicht viele Worte, mit den letzten Sätzen, frei nach Peter Mayle, möchte ich meinen Blogbeitrag beenden: Es waren Tage gewesen, in dem wir sehr intensiv geradelt, (350 km/4300 Hm) lecker gekocht, (Lammkeule, Garnelen, Eis mit heißen Himbeeren) angeregt geredet, einfach – gelebt haben. Faszinierende, in manchen frustrierende oft unbequeme Tage, (das Rennen la Corima🥵🏁) die aber nie langweilig oder enttäuschend 🏆 gewesen waren. Vor allem fühlten wir uns hier zu Hause. Mama Christa brachte Gläser mit Alexion (alkoholfreier Kräuterlikör mit 52 Kräuter) aus Aiugebelle. Bernd der Handyman unterbrach seine Arbeit. Bruno et Jean-Pierre schauten zum Abschied vorbei. Hubert erhob das Glas und wünschte uns „Santé et bonne Route à bientôt mes ami !“

Bleibt gesund, bleibt mir treu. Euer Coach. (Basti 😘)

en plus….

welch Ehre,das Trikot 💪
noch gute Laune🚴

Der Besenwagen

oder

der dunkle Berg soll leuchten

Die Tour hatte nach Jahren der Abstinenz den Mont Ventoux wieder im Programm. Diesmal noch schwieriger, noch mörderischer, zweimal auf der gleichen Etappe muss dieser Berg, dieser weiße Gigant, dieser Mythos bezwungen werden. Dort, auf dem Gipfel, wird die Tour de France entschieden, so sind sich alle Experten einig. Ich bin dabei, im Windschatten meiner Radbande im Stromberg schlagen wir unsere Zelte wieder in Valréas auf.

Benni Thomas L. Felix Thomas F. Sebastian

Es war das Jahr 2002 mit meiner damaligen Freundin Elli und Igga, ein Kumpel von den Buwe aus Rottenberg, mit denen ich hautnah den legendären Kampf am Mont Ventoux verfolgen konnte. Wir standen noch auf Höhe der Waldgrenze im Schatten der Bäume und warteten gebannt auf das Peloton. Zu Fuß haben wir damals uns, kommend von Bedoin, auf den langen Weg zum Gipfel gemacht. Links und rechts am Straßenrand picknickten ganze Familien mit Oma, Opa, samt Kindern und Hunden und freuten sich auf die Tour am Nationalfeiertag. Elli sah in dieser Wanderung überhaupt keinen Sinn. Legen wir uns hier ins Gras, dort ist ein schöner Baum der Schatten spendete, sagte sie. Ich wollte doch auf dem Gipfel, zumindest am Memorial von Simpson auf meine damaligen Helden warten. Sie anfeuern, sie anschreien, vielleicht ein Stück mitrennen, ihnen den letzten Pusch geben. Lasst uns bis zu dem steilen Stück dort vorne laufen, dort sehe ich auch schöne schattige Bäume, meinte Igga. Ok, ich war überstimmt und musste insgeheim eingestehen, ich hab das alles unterschätzt. Elli breitete die Picknick Decke aus, Igga schnitt das Baguette und den Käse sowie leckere Tomaten aus Papas Garten. Ich holte eine Flasche Domaine Maximilian aus dem Korb. Gegenüber feierten Holländer schon lautstark und nicht weit weg hörte ich die Tifosi grölen. Ganz Europa war auf diesem Berg. 

Igga Mama Elli Sebastian

Die Radbande im Stromberg ist in den Löwensteiner Bergen unterwegs. Und ich versuche kämpferisch das Hinterrad vom Thomas zu halten. Beißen Coach beißen, brüllt er mir zu. Es geht in die Steile Rampe von Jux hoch. Ich geh in den Wiegetritt.17%. Ich denk an die Verrückten von Jux. Von drei verschiedenen Seiten hoch nach Jux und du wirst im erlauchten Kreis aufgenommen. Genauso wie die Verrückten vom Mont Ventoux, sinniere ich. An einem Tag von drei verschiedenen Seiten den Berg der Winde erklimmen. Das ist die ultimative Challenge. Marc, Benni und Felix rauschen locker an mir vorbei. Nochmal 20 sein. 

Löwensteiner Berge

Klar wussten alle, die sind voll bis unter die Haubitzen. Ohne Doping, ohne verbotene Substanzen schafft man diese Leistung nicht. Es war ein offenes Geheimnis. Selbst der erste Doping Tote Simpson, der mit einem Cocktail aus Amphetaminen, Alkohol kurz vor dem Gipfel zusammenbrach, dem wird heute noch gehuldigt. Es war mir damals egal, der Tour Funk kündigte die Spitzenreiter an. Die Spannung stieg, eine Spitzengruppe bestehend aus Virenque, Ulrich und Armstrong hatten 3 Minuten Vorsprung vor dem Hauptfeld. Lance Armstrong, der große Dominator, eine Krebserkrankung überwunden kam er so stark wieder auf die internationale Rad Bühne. Man konnte ihm nie was verbotenes nachweisen. Wir glaubten einfach an seinen unmenschlichen Kräften, an seinen Fahrstil mit kurzen kleinen Übersetzungen, mit seinem eisernen amerikanischen Willen. Sein Buch: “Tour des Lebens, wie ich den Krebs besiegte und die Tour de France gewann” war damals ein Bestseller. Meinem Schulfreund Olli aus Kindheitstagen habe ich immer gerne einige Passagen daraus vorgelesen. Die Zeilen haben ihm damals Mut gemacht. Er hatte Krebs im Endstadium. Aber am Ende waren seine Siege nur Lug und Trug! Es waren meine Idole aus dem Fernsehen. Richard Virenque konnte sich kurz vor dem Ziel in der Steinwüste am Mont Ventoux von der Spitzengruppe lösen und gewann als Franzose am Nationalfeiertag die Etappe am Gipfel überragend. Gemütlich schlendernden wir Drei von diesem Berg wieder gen Heimat. Ich, noch ganz aufgeregt meine Idole hautnah gesehen und angefeuert zu haben. Igga, der sich mit Holländern und Tifosis verbrüderte. Elli, die gemütlich auf der Picknick Decke nach einem Glas Wein mit Baguette und Käse unter den Schatten spendenden Eichen gedöst und geruht hatte. Es war schön. 

Lance

Ich höre gerne einen Podcast, der heißt: Besenwagen. Drei Jungs, sehr unterschiedlicher Natur plaudern locker über Radsport. Mag ich. Ich hab auch ein schickes Trikot von der Marke Rapha mit den Motiven und Schrift ”Der Besenwagen”. Sehr klar, sehr stylisch. Ab und an ziehe ich es zu unseren sonntäglichen Ausfahrten der Radbande im Stromberg an. Thomas schaut ein bisschen kritisch von der Seite. Basti, bist du schon einmal im Besenwagen gesessen, fragt er mich ein bisschen spöttisch. Nein nie, antworte ich ehrlich. Thomas, ein ehemaliger Radprofi, berichtet mir von seinen Erlebnissen. Es war kalt, ich war am Ende, abgeschlagen, konnte nicht mehr. Zum Ziel war noch weit. Ich stieg ein, erzählte er mir mit brüchiger Stimme. 

Besenwagen

Brauchen wir nicht alle im Leben mal einen Besenwagen, denke ich nach. Eine Familie die einen auffängt, wenn man am Boden liegt. Ein guter Freund, der da ist, wenn man ihn braucht? Ich mag den Begriff. Er hat was Beschützendes. Etwas heimeliges. Und das im Profi Sport, in dem es nur um Gewinnen und Verlieren geht. 

Der Tag ist gekommen. Die Radbande im Stromberg ist wieder zu Gast bei Mama Christa in Valréas. Die Sonne brennt, die Butter schmilzt am Frühstücks Tisch. Es wird ein heißer Tag in der Provence. Nur der Mistral mit einer leichten Brise, verspricht eine kleine Abkühlung. Wir sind gut vorbereitet. Die Touren in den Löwensteiner Bergen, im Stromberg und im Black Forest haben unsere Körper gestählt für diesen Tag im Juli hoch zum Gipfel des Mont Ventoux. Das Peloton der Tour de France erwartet unsere lautstarke Unterstützung. 23 Teams mit insgesamt 184 Fahrer gehen auf die französische Schleife. Bora Hansgrohe, mit Nils Polit und Emu Buchmann, das Ineos Grenadiers Team mit Richie Porte und Geraint Thomas, Jumbo Visma mit Roglic und Tony Martin, Israel Start-up Nation mit Sprinter Greipel und Rick Zabel, nur um einige zu nennen. Es ist das Who is Who des internationalen spitzen Radsportes am Start. Wir werden da sein. Wir werden alles geben. 

Wer möchte ein 5 Minuten Ei von glücklichen Hühnern? ruft uns Mama Christa aus der Küche zu. Die Radbande im Stromberg ist am Frühstückstisch versammelt. Lavendelhonig, verschiedene Marmeladen, Wurst und Käse stehen auf dem Tisch. Baguette wird frisch aufgeschnitten. Ich schnapp mir schon mal ein warmes Croissant mit ordentlich Butter drauf. Lecker. Große Schlagzeile in der Tribüne, die Tageszeitung aus der Region: Kampf um das gelbe Trikot am Mont Ventoux, liest uns Felix vor. Gleich wird gefachsimpelt, diskutiert, jeder hat einen eigenen Favoriten. Carapaz, Pogajar, ich tippe auf Wout van Aert. Richard Carapaz hat die besten Helfer an seiner Seite, meint Benni. Und er hat nicht unrecht. Du brauchst Wasserträger Edelhelfer, nur mit einer starken Mannschaft ist der Sieg möglich. Ja, Geld schießt bekanntlich die meisten Tore und Geld macht Tour Gewinner, meint Thomas lakonisch. Ineos Grenadier hat einen 50 Millionen Etat fügt er noch bekräftigend hinterher.

Die Reifen auf 8 bar, Wasser in den Trinkflaschen. Die Kette geölt. Wir rollen aus Valréas über schmale Landstraßen, passieren wir die kleinen, pittoresken Dörfer Vinsobres und Mirabell de Barronies. Tief atmen wir die Lavendel geschwängerte Luft ein. Herrlich. Immer im Blick: Der Mont Ventoux. 

Autos fahren freudig, hupend an uns vorbei. Fenster werden heruntergekurbelt.  Allez, allez, werden wir auf Französisch angefeuert. Die ersten Schriftzüge auf den Straßen, die ersten französischen Flaggen am Straßenrand zeigen die Tour an. Der Zielort Malaucène hat sich hübsch gemacht. Wir halten an, auf einen obligatorischen Espresso. Schnell kommen wir mit Belgier, mit Tifosi, mit Radsportverrückte ins Gespräch. Es ist eine ausgelassene freudige Stimmung. Wir ziehen weiter bevor die Straßen komplett dicht gemacht werden. Wir wollen ja auf den Gipfel, dort in der Steinwüste auf unsere Idole warten. Zweimal werden sie uns passieren müssen, das ist einzigartig in der Geschichte der Tour de France. Es macht Spaß mit den Jungs, es ist keine Strapaze, es ist pure Freude. Wir sind gut trainiert, sind nicht im Wettkampf, plaudern viel, werden motiviert der schönen Landschaft, der ungewohnt schönen Ausblicke ins Rhonetal, von weitem kann man das Mittelmeer erahnen. Links und rechts ein Spalier von Wohnmobilen. Wir hören die Live Übertragungen, aus den Lautsprechern in den verschiedensten Sprachen, das Peloton ist schon auf Höhe von Sault, eine Spitzengruppe von 6 Fahren führt das Feld an. Darunter auch mein Favorit, der Belgische Meister Wout van Aert von Jumbo Visma Die Spannung steigt. Mit einem Lächeln im Gesicht erreichen wir den Gipfel. 

Wout van Aert in der Abfahrt zum Sieg!

Hubschrauber kreisen über unseren Köpfen, die ersten Polizeimotorräder sichern die Strecke. Es wird laut, der Berg erwacht zum Leben. Eine erste Spitzengruppe rauscht an uns vorbei, bin so aufgeregt wie damals mit Elli und Igga, ich konnte nicht mal die Fahrer erkennen. Felix, der verrückte Hund, rennt wenige Meter seinem Idol von Ineos Grenadier hinterher. So kommt man ins Fernsehen, denk ich bei mir. Wir klatschen uns ab, feiern uns und die Tour de France. Nach der halsbrecherischen Abfahrt nach Malaucène geht es nach Bedoin von dort nochmal 22 km die Südrampe, besonders steil, besonders selektiv! Wird Wout van Aert, aktueller Belgischer Meister, mein Favorit, den Attacken der Konkurrenz standhalten? Und noch wichtiger: hat er seine Edelhelfer vom Team Jumbo Visma noch an seiner Seite? Ich höre den Tour Funk, es wird spannend. Ja er ist noch dabei, jetzt noch die gefährliche Abfahrt überstehen, nicht stürzen, gesund bleiben. Wir jubeln jedem Fahrer zu, jeder hat den Respekt verdient. Eine kleine Gruppe von schwergewichtigen Sprintern mit gequälten schmerzverzerrten Gesichtern kommt an uns vorbei. Hauptsache ankommen und in der Karenzzeit bleiben! Nun sichern einige Polizeimotorräder den Schluss der Tour. Ein Fahrzeug kommt noch, es ist der Besenwagen. Er ist leer, keiner ist eingestiegen, er wurde nicht gebraucht. Gut so. 

Bleibt mir treu, bleibt gesund. EUER COACH

Nachspann

Hobby-Radfahrer aus der Region fahren zur Tour de FranceAufbruch zum Windumbrausten

Von Walter Christ 04.07.2021

Benni Sebastian Thomas L. Felix Thomas F.
Die Radbande Stromberg posiert in Bietigheim vor der Abfahrt mit dem Auto zur Tour de France. Von links: Benni Hoffmann, Sebastian Holler, Thomas Lutz, Felix Kenk und Thomas Fischer. ⇥ Foto: Oliver Bürkle
ABSCHIED

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