La Corima 2022
Ich bin wieder hier
In meinem Revier
War nie wirklich weg
Hab mich nur versteckt
Ich rieche den Dreck
Ich atme tief ein
Und dann bin ich mir sicher
Wieder zu hause zu sein
Was ist alles passiert! Seit 2019. Mein letztes Rennen. Traurig, melancholisch schlenderte ich damals mit meinem Merida Reacto durch die Gassen von Montélimar. Die heimliche Hauptstadt des Nougat. Das Rennen „La Corima“ war Geschichte. Nie wieder, so wollte es die Organisation. Ein kleiner Radsportverein, Le James Velo Club. Es wurde zu viel, es wurde anstrengend. 200 Leute bedarf es dieses einzigartige Rennen über 144 km der schönen Hügel der Drôme Provencal zu organisieren. Ich hatte Verständnis.
Charlie, Geronimo, könnt ihr Euch noch erinnern? Der Kampf gegen den Wind, gegegen den gefürchteten Mistral. Es war ein trauma. Wir hatten es gepackt, zusammen im Wiegetritt auf die Cols, le Vecs, de la Sausse, Col de Valouse, schnell in den Abfahrten und abwechselnd in der Führungsarbeit gegen den Mistral. Hand in Hand der Ziellinie entgegen. Einer für Alle, alle für einen, frei nach d‘ Artagnan.
Drei Jahre ist eine lange Zeit, eine Ewigkeit. Die Pandemie machte alle Hoffnungen für eine Rückkehr dieses einzigartige Rennen im März zu nichte. Selbst in kleinen Gruppen durfte man in Frankreich nicht mehr Rad fahren. Wie sollte man ein Rennen mit mehr als 2000 Teilnehmern organisieren? Ich war überrascht. Das Rennen sollte am 27.März 2022 stattfinden. Spontan schrieb ich mich in die Starterliste ein. Ich war dabei, konnte es aber immer noch nicht glauben.
Am 24.Februar überfiel Putin die Ukraine. Mitten in Europa tobte der Krieg, keine 2 Flugstunden von mir. Junge Männer starben im Bombenterror und Kugelhagel. Warum? Für was? Ich war schockiert. Ich stelle mich dem Kampf in einem Radrennen, nicht auf dem Schlachtfeld. Ich tue was für Europa, aber möchte auch Muskeln zeigen. Friedlich vor, während und nach dem Rennen – freundschaftliche Bande schliessen. Das Radrennen „La Corima“ in der Ukraine, im Starterfeld mit Franzosen. Russen, Tschechenen, Polen, Rumänen und Finnen. So stelle ich mir Europa vor und nicht auf dem Schlachtfeld! Hier und Heute verspreche ich nach dem Krieg an einem Radrennen in der Ukraine teilzunehmen. Versprochen!
Die letzte Vorbereitung im Stromberg im Windschatten der Radbande war ein Desaster. Ich musste abreissen lassen, mein Puls deutlich zu hoch, enttäuscht verabschiede ich mich von den #strombergbuben und stromerte mit meinem Merida Reacto den Neckarradweg entlang. In Gedanken an das Rennen „La Corima“. Werde ich gute Beine haben, komme ich über die Berge der Drome Provencal und werde ich dem gefürchteten Mistral standhalten?
Es sollte ein traumhaftes Wochenende in der Provence werden. Sonnig, trocken, Windstill, also beste Bedingungen. Mein Merida Reacto war bereit. Kette geölt, die Reifen auf 8 bar und Wasser in den Trinkflaschen mit einer Banane in der Rückentasche reihte ich mich an das Ende des Starterfeldes. Aufregung, Anspannung, Nervosität. 3 Jahre habe ich auf diesen Augenblick gewartet. Das Leben vor der Pandemie hat mich wieder. Der Krieg ist für die nächsten 3 Stunden ganz weit weg. Der Starter zählt die Sekunden runter: 6, 5,4,3,2,1 Gooooo
Ruhig bleiben, ruhig Brauner, ruhig, nicht zu schnell der Zielgeraden aus Montélimar heraus pedalieren. In keinen Sturz verwickeln. Vor mit legt sich einer gekonnt auf die Fresse, ich kann gerade noch so ausweichen. Jetzt kommt die breite Ausfahrtsstrasse, leicht ansteigend. Ich nehme Tempo auf, das Feld gleicht jetzt einer Ziehharmonika. Hinter schweren grossen Jungs mit dicken Oberschenkel stürme ich im Windschatten an die Spitze des Feldes. Die ersten Hügel meistere ich problemlos, ich fühle mich gut. Am Berg müssen die schweren Jungs abreißen lassen, jetzt muss ich mir neue Wasserträger und Edelhelfer suchen. In der tollkühnen Abfahrt nach Dieulefit muss ich meine ganzen Fahrkünste aufbieten um an den Besten dran zu bleiben
Im Tal hab ich eine gute Gruppe, im Sinne des Französischen Kreisel fliegen wir förmlich dem Ziel entgegen. Mit Tempo biegen wir in den letzten Anstieg ein, hoch zum Col de Eyzahut. Jetzt kann ich den Bergspezialisten nicht mehr Paroli bieten und verliere meine Gruppe aus den Augen. Allein gegen meinen inneren Schweinehund. Allein erreiche ich ich den Gipfel! Ich knalle meinen größten Gang rein. Wie der Radprofi Mohoric vom Team Merida Victorious in der Abfahrt beim Poggio stürme ich entlang der Serpentinen in das Tal. Immer den Bremspunkt am Limit. So sauge ich mich wieder an mein Gruppe und erhole mich im Windschatten. Auf den letzten Kilometer leiste ich auch Führungsarbeit! Ich bin gut drauf. Je suis on plein forme! Es geht nochmals über eine kleine Kuppe, dranbleiben, nicht abreissen lassen. Rein nach Montélimar geht es in einer scharfen 90 Grad Kurve auf die Zielgerade ein. Ich verpasse den Zug. Bin geschlagen. Mit den Sieg hab ich nichts mehr zu tun, ich nehme raus, genieße die letzten Meter, der Jubel der Menschen am Strassenrande.
Im Ziel, ich spüre nichts, keine Schmerzen, keine Strapazen, keine Sorgen. Es geht mir gut, eine zufriedene Leere stellt sich ein. Ein Glücksgefühl ☺️
Bleibt gesund, bleibt mir treu. Der Coach