Autor: Sebastian Holler Seite 5 von 6

Der Besenwagen

oder

der dunkle Berg soll leuchten

Die Tour hatte nach Jahren der Abstinenz den Mont Ventoux wieder im Programm. Diesmal noch schwieriger, noch mörderischer, zweimal auf der gleichen Etappe muss dieser Berg, dieser weiße Gigant, dieser Mythos bezwungen werden. Dort, auf dem Gipfel, wird die Tour de France entschieden, so sind sich alle Experten einig. Ich bin dabei, im Windschatten meiner Radbande im Stromberg schlagen wir unsere Zelte wieder in Valréas auf.

Benni Thomas L. Felix Thomas F. Sebastian

Es war das Jahr 2002 mit meiner damaligen Freundin Elli und Igga, ein Kumpel von den Buwe aus Rottenberg, mit denen ich hautnah den legendären Kampf am Mont Ventoux verfolgen konnte. Wir standen noch auf Höhe der Waldgrenze im Schatten der Bäume und warteten gebannt auf das Peloton. Zu Fuß haben wir damals uns, kommend von Bedoin, auf den langen Weg zum Gipfel gemacht. Links und rechts am Straßenrand picknickten ganze Familien mit Oma, Opa, samt Kindern und Hunden und freuten sich auf die Tour am Nationalfeiertag. Elli sah in dieser Wanderung überhaupt keinen Sinn. Legen wir uns hier ins Gras, dort ist ein schöner Baum der Schatten spendete, sagte sie. Ich wollte doch auf dem Gipfel, zumindest am Memorial von Simpson auf meine damaligen Helden warten. Sie anfeuern, sie anschreien, vielleicht ein Stück mitrennen, ihnen den letzten Pusch geben. Lasst uns bis zu dem steilen Stück dort vorne laufen, dort sehe ich auch schöne schattige Bäume, meinte Igga. Ok, ich war überstimmt und musste insgeheim eingestehen, ich hab das alles unterschätzt. Elli breitete die Picknick Decke aus, Igga schnitt das Baguette und den Käse sowie leckere Tomaten aus Papas Garten. Ich holte eine Flasche Domaine Maximilian aus dem Korb. Gegenüber feierten Holländer schon lautstark und nicht weit weg hörte ich die Tifosi grölen. Ganz Europa war auf diesem Berg. 

Igga Mama Elli Sebastian

Die Radbande im Stromberg ist in den Löwensteiner Bergen unterwegs. Und ich versuche kämpferisch das Hinterrad vom Thomas zu halten. Beißen Coach beißen, brüllt er mir zu. Es geht in die Steile Rampe von Jux hoch. Ich geh in den Wiegetritt.17%. Ich denk an die Verrückten von Jux. Von drei verschiedenen Seiten hoch nach Jux und du wirst im erlauchten Kreis aufgenommen. Genauso wie die Verrückten vom Mont Ventoux, sinniere ich. An einem Tag von drei verschiedenen Seiten den Berg der Winde erklimmen. Das ist die ultimative Challenge. Marc, Benni und Felix rauschen locker an mir vorbei. Nochmal 20 sein. 

Löwensteiner Berge

Klar wussten alle, die sind voll bis unter die Haubitzen. Ohne Doping, ohne verbotene Substanzen schafft man diese Leistung nicht. Es war ein offenes Geheimnis. Selbst der erste Doping Tote Simpson, der mit einem Cocktail aus Amphetaminen, Alkohol kurz vor dem Gipfel zusammenbrach, dem wird heute noch gehuldigt. Es war mir damals egal, der Tour Funk kündigte die Spitzenreiter an. Die Spannung stieg, eine Spitzengruppe bestehend aus Virenque, Ulrich und Armstrong hatten 3 Minuten Vorsprung vor dem Hauptfeld. Lance Armstrong, der große Dominator, eine Krebserkrankung überwunden kam er so stark wieder auf die internationale Rad Bühne. Man konnte ihm nie was verbotenes nachweisen. Wir glaubten einfach an seinen unmenschlichen Kräften, an seinen Fahrstil mit kurzen kleinen Übersetzungen, mit seinem eisernen amerikanischen Willen. Sein Buch: “Tour des Lebens, wie ich den Krebs besiegte und die Tour de France gewann” war damals ein Bestseller. Meinem Schulfreund Olli aus Kindheitstagen habe ich immer gerne einige Passagen daraus vorgelesen. Die Zeilen haben ihm damals Mut gemacht. Er hatte Krebs im Endstadium. Aber am Ende waren seine Siege nur Lug und Trug! Es waren meine Idole aus dem Fernsehen. Richard Virenque konnte sich kurz vor dem Ziel in der Steinwüste am Mont Ventoux von der Spitzengruppe lösen und gewann als Franzose am Nationalfeiertag die Etappe am Gipfel überragend. Gemütlich schlendernden wir Drei von diesem Berg wieder gen Heimat. Ich, noch ganz aufgeregt meine Idole hautnah gesehen und angefeuert zu haben. Igga, der sich mit Holländern und Tifosis verbrüderte. Elli, die gemütlich auf der Picknick Decke nach einem Glas Wein mit Baguette und Käse unter den Schatten spendenden Eichen gedöst und geruht hatte. Es war schön. 

Lance

Ich höre gerne einen Podcast, der heißt: Besenwagen. Drei Jungs, sehr unterschiedlicher Natur plaudern locker über Radsport. Mag ich. Ich hab auch ein schickes Trikot von der Marke Rapha mit den Motiven und Schrift ”Der Besenwagen”. Sehr klar, sehr stylisch. Ab und an ziehe ich es zu unseren sonntäglichen Ausfahrten der Radbande im Stromberg an. Thomas schaut ein bisschen kritisch von der Seite. Basti, bist du schon einmal im Besenwagen gesessen, fragt er mich ein bisschen spöttisch. Nein nie, antworte ich ehrlich. Thomas, ein ehemaliger Radprofi, berichtet mir von seinen Erlebnissen. Es war kalt, ich war am Ende, abgeschlagen, konnte nicht mehr. Zum Ziel war noch weit. Ich stieg ein, erzählte er mir mit brüchiger Stimme. 

Besenwagen

Brauchen wir nicht alle im Leben mal einen Besenwagen, denke ich nach. Eine Familie die einen auffängt, wenn man am Boden liegt. Ein guter Freund, der da ist, wenn man ihn braucht? Ich mag den Begriff. Er hat was Beschützendes. Etwas heimeliges. Und das im Profi Sport, in dem es nur um Gewinnen und Verlieren geht. 

Der Tag ist gekommen. Die Radbande im Stromberg ist wieder zu Gast bei Mama Christa in Valréas. Die Sonne brennt, die Butter schmilzt am Frühstücks Tisch. Es wird ein heißer Tag in der Provence. Nur der Mistral mit einer leichten Brise, verspricht eine kleine Abkühlung. Wir sind gut vorbereitet. Die Touren in den Löwensteiner Bergen, im Stromberg und im Black Forest haben unsere Körper gestählt für diesen Tag im Juli hoch zum Gipfel des Mont Ventoux. Das Peloton der Tour de France erwartet unsere lautstarke Unterstützung. 23 Teams mit insgesamt 184 Fahrer gehen auf die französische Schleife. Bora Hansgrohe, mit Nils Polit und Emu Buchmann, das Ineos Grenadiers Team mit Richie Porte und Geraint Thomas, Jumbo Visma mit Roglic und Tony Martin, Israel Start-up Nation mit Sprinter Greipel und Rick Zabel, nur um einige zu nennen. Es ist das Who is Who des internationalen spitzen Radsportes am Start. Wir werden da sein. Wir werden alles geben. 

Wer möchte ein 5 Minuten Ei von glücklichen Hühnern? ruft uns Mama Christa aus der Küche zu. Die Radbande im Stromberg ist am Frühstückstisch versammelt. Lavendelhonig, verschiedene Marmeladen, Wurst und Käse stehen auf dem Tisch. Baguette wird frisch aufgeschnitten. Ich schnapp mir schon mal ein warmes Croissant mit ordentlich Butter drauf. Lecker. Große Schlagzeile in der Tribüne, die Tageszeitung aus der Region: Kampf um das gelbe Trikot am Mont Ventoux, liest uns Felix vor. Gleich wird gefachsimpelt, diskutiert, jeder hat einen eigenen Favoriten. Carapaz, Pogajar, ich tippe auf Wout van Aert. Richard Carapaz hat die besten Helfer an seiner Seite, meint Benni. Und er hat nicht unrecht. Du brauchst Wasserträger Edelhelfer, nur mit einer starken Mannschaft ist der Sieg möglich. Ja, Geld schießt bekanntlich die meisten Tore und Geld macht Tour Gewinner, meint Thomas lakonisch. Ineos Grenadier hat einen 50 Millionen Etat fügt er noch bekräftigend hinterher.

Die Reifen auf 8 bar, Wasser in den Trinkflaschen. Die Kette geölt. Wir rollen aus Valréas über schmale Landstraßen, passieren wir die kleinen, pittoresken Dörfer Vinsobres und Mirabell de Barronies. Tief atmen wir die Lavendel geschwängerte Luft ein. Herrlich. Immer im Blick: Der Mont Ventoux. 

Autos fahren freudig, hupend an uns vorbei. Fenster werden heruntergekurbelt.  Allez, allez, werden wir auf Französisch angefeuert. Die ersten Schriftzüge auf den Straßen, die ersten französischen Flaggen am Straßenrand zeigen die Tour an. Der Zielort Malaucène hat sich hübsch gemacht. Wir halten an, auf einen obligatorischen Espresso. Schnell kommen wir mit Belgier, mit Tifosi, mit Radsportverrückte ins Gespräch. Es ist eine ausgelassene freudige Stimmung. Wir ziehen weiter bevor die Straßen komplett dicht gemacht werden. Wir wollen ja auf den Gipfel, dort in der Steinwüste auf unsere Idole warten. Zweimal werden sie uns passieren müssen, das ist einzigartig in der Geschichte der Tour de France. Es macht Spaß mit den Jungs, es ist keine Strapaze, es ist pure Freude. Wir sind gut trainiert, sind nicht im Wettkampf, plaudern viel, werden motiviert der schönen Landschaft, der ungewohnt schönen Ausblicke ins Rhonetal, von weitem kann man das Mittelmeer erahnen. Links und rechts ein Spalier von Wohnmobilen. Wir hören die Live Übertragungen, aus den Lautsprechern in den verschiedensten Sprachen, das Peloton ist schon auf Höhe von Sault, eine Spitzengruppe von 6 Fahren führt das Feld an. Darunter auch mein Favorit, der Belgische Meister Wout van Aert von Jumbo Visma Die Spannung steigt. Mit einem Lächeln im Gesicht erreichen wir den Gipfel. 

Wout van Aert in der Abfahrt zum Sieg!

Hubschrauber kreisen über unseren Köpfen, die ersten Polizeimotorräder sichern die Strecke. Es wird laut, der Berg erwacht zum Leben. Eine erste Spitzengruppe rauscht an uns vorbei, bin so aufgeregt wie damals mit Elli und Igga, ich konnte nicht mal die Fahrer erkennen. Felix, der verrückte Hund, rennt wenige Meter seinem Idol von Ineos Grenadier hinterher. So kommt man ins Fernsehen, denk ich bei mir. Wir klatschen uns ab, feiern uns und die Tour de France. Nach der halsbrecherischen Abfahrt nach Malaucène geht es nach Bedoin von dort nochmal 22 km die Südrampe, besonders steil, besonders selektiv! Wird Wout van Aert, aktueller Belgischer Meister, mein Favorit, den Attacken der Konkurrenz standhalten? Und noch wichtiger: hat er seine Edelhelfer vom Team Jumbo Visma noch an seiner Seite? Ich höre den Tour Funk, es wird spannend. Ja er ist noch dabei, jetzt noch die gefährliche Abfahrt überstehen, nicht stürzen, gesund bleiben. Wir jubeln jedem Fahrer zu, jeder hat den Respekt verdient. Eine kleine Gruppe von schwergewichtigen Sprintern mit gequälten schmerzverzerrten Gesichtern kommt an uns vorbei. Hauptsache ankommen und in der Karenzzeit bleiben! Nun sichern einige Polizeimotorräder den Schluss der Tour. Ein Fahrzeug kommt noch, es ist der Besenwagen. Er ist leer, keiner ist eingestiegen, er wurde nicht gebraucht. Gut so. 

Bleibt mir treu, bleibt gesund. EUER COACH

Nachspann

Hobby-Radfahrer aus der Region fahren zur Tour de FranceAufbruch zum Windumbrausten

Von Walter Christ 04.07.2021

Benni Sebastian Thomas L. Felix Thomas F.
Die Radbande Stromberg posiert in Bietigheim vor der Abfahrt mit dem Auto zur Tour de France. Von links: Benni Hoffmann, Sebastian Holler, Thomas Lutz, Felix Kenk und Thomas Fischer. ⇥ Foto: Oliver Bürkle
ABSCHIED

Der Kulturverein

Der Kulturverein

oder

der letzte Abend

Es ist ein lauer Sommerabend. Ich biege gerade mit meinem Merida Reacto in die Fußgängerzone von Bietigheim ein. Die tiefstehende Sonne scheint mir direkt ins Gesicht. Ich kneife die Augen zusammen. Der Herrenaustatter Kittel schliesst gerade sein Geschäft. Schräg gegenüber ruft Harry von der Bar Agora: Ein schnelles kühles Tannenzäpfle? Oh ja, das tut gut, das zischt gut. Ich ziehe weiter, verabschiede mich und ruf ihm zu: bis morgen auf auf einen vitalisierenden Espresso. Gemütlich schiebe ich mein Rad durch die Fußgängerzone. Schöne Fachwerkhäuser säumen meinen Weg. Costa vom  Restaurant Falken, direkt an der Ecke vom Marktplatz, ruft mir zu: Bastian, hab noch leckeres Gyros auf dem Grill. Costa , eine Seele von Mensch, dem kann man nichts abschlagen. Ich bewundere ihn. Bei ihm fühlt man sich wohl. Ein Lied kommt mir in den Sinn: Meine kleine Kneipe von Peter Alexander.

Es gibt sie wirklich, die kleine Kneipe. Oh la la, der Zanziki hat es es in sich. Ich lass es mir schmecken. Verträumt schau ich auf den Markplatz und meine Erinnerungen führen mich nach Hösbach. Ich werde direkt in mein Bistrot Gräfenstein am Marktplatz katapultiert. Ein schönes Bistrot. Die geschwungene Theke, die provencalischen Stühle, die ockerfarbende  Wände, die romantischen Kerzen auf den Tischen. Hochzeiten Geburtstage, Todesfälle, Geschäfstessen, Rendezvous, alles hat das Bistrot gesehen und erlebt. Man fühlte sich wohl. Ich war jung, vielleicht zu jung. Ich musste es schließen. Aber nicht so einfach, nochmal richtig feiern, mit einem Paukenschlag.

Meine Nachbarin war eine berühmte Oper Sängerin. Julie Griffith. Ich bin unmusikalisch, ich kann nicht singen. Doch Sebastian, jeder kann singen, sagte sie mir mal bei einem Glas Wein. Sie gab Gesangsunterricht und hatte eine Schar guter Schüler unter sich. Sie studierten gerade die Zauberflöte ein. Hatten aber keine Bühne. Da kam mir die Idee die Zauberflöte auf unseren Marktplatz unter dem freien Himmelszelt Ur  aufzuführen.

Zu dieser Zeit war ich auch im Gemeinderat dieses Dorfes. So wird es ein leichtes sein die Genehmigung für dieses Event auf dem Marktplatz zu er halten, dachte ich mir. Passiert ja sonst nichts auf dieser tristen, trostlosen Fläche mitten im Herzen, eingerahmt von Kirche und Rathaus. Sebastian, das wird schwierig, bis unmöglich sprach der Bürgermeister Robert Hein unter vier Augen mit mir. Wenn du ein Verein wärst hätt ich eine Möglichkeit, so sind mir die Hände gebunden. Mein Ehrgeiz wurde geweckt. Ein Verein sinnierte ich, ja ein Kulturverein, das könnte die Lösung sein. Aber wie und wer hilft mir? Ich sprach meine Gäste an. Eine Handvoll konnte ich begeistern und für die Gründungsversammlung des 1. Kulturverein Hösbach e. V. einladen. Ich wusste, keiner würde den Vorsitz übernehmen. So bat ich meine Schwester Henriette. Nur pro forma, nur auf dem Papier, überzeugte ich sie. Ich mach wirklich nichts? Ja, hast mein Ehrenwort. Der Abend der Gründungsversammlung. Gekommen waren: Erich Dürr, Susanne Vincon, Gabi Paschold, Mona Junk, Thea Schulmeyer

Alle wollten mir helfen , alle hatten mit ihren Familien, mit ihren Freunden schöne Stunden im Gräfenstein. Eigentlich wollten Sie nicht das ich den Ort ihrer Geselligkeit, Ihrer Heiterkeit dicht mache. Aber sie respektierten meine Entscheidung.

Noch einen Ouzo? reist mich Costa aus meinen Tagträumen. Ja, gerne rufe ich ihm zu. Geht aufs Haus. Wie hab ich das vermisst in der Pandemie. Das war doch kein Leben. Ohne Kunst, ohne Kultur. Und ohne soziale Kontakte. Wir brauchen das, wie unser täglich Brot.

Der Brunnen plätschert, im Hintergrund höre ich leise Udo Jürgens aus der Jukebox trällern. Griechischer Wein, wie passend, denk ich mir. Ich Summe ein bisschen mit, jede Strophe, jedes Wort ist mir bekannt. Heimweh Costa?

7 Gründungsmitglieder braucht ein Verein. Die Vorsitzende hatte ich schon mal! Danke Henni. Wer macht den Zweiten, wer macht den Kassier, Schriftführer und Beisitzer? Erich hatte mal schon ordentlich eine Satzung mitgebracht. Ich hatte keinen Plan. Es wurde rege diskutiert. Susanne signalisierte sich für das Amt als Schriftführer zu Verfügung zu stellen. Gewählt. Wer macht den nun den 2.Vorstand? Mir kam ein Gedanke . Heinz Peter Rausch, ein Musiklehrer und Dirigent aus dem Ort, den können wir doch anrufen. Gesagt, getan. Er war überrascht, wir redeten auf ihn ein. Er konnte nicht anders als Zusagen. Geschafft. Erich übernahm den Job als Kassier und mit drei Beisitzern war der 1. und einzige Kulturverein in Hösbach an einem Montag um 22.33 gegründet.

Ihr hättet mal die Gesichter meiner Lieben Gemeinderäte sehen sollen, als ich den Antrag für das Open Air Konzert auf dem Marktplatz vorgetragen habe. Mund offen Kinnlade runter. Leichtes schmunzeln des 1. Bürgermeisters konnte ich kurz erkennen. Er hats mir gegönnt. EINSTIMMIG

Ich brauch 2 Flügel auf der Bühne, wirbelte Julie Griffith theatralisch wie eine große Diva mir ihre Wünsche entgegen. Aber liebe Julie, weißt du was das kostet, stotterte ich. Und die Glocken des Kirchturm müssen auch aufhören zu schlagen gab sie mir noch eine weitere Aufgabe. Sonst kann ich nicht singen. Jetzt muss ich noch mit dem Pfarrer und der katholischen Kirche verhandeln. Uih, was kommt da noch auf mich zu. 

Die Abendsonne ging hinter dem Rathaus von Bietigheim unter, Costa zündete Windlichter an. Brachte ein paar Decken. Der Bürgermeister mit ein paar Gemeinderäte schaute nach einer Sitzung noch schnell auf ein Glas vorbei. Wie damals bei mir, dachte ich mir im Stillen und wurde ein bisschen melancholisch. Eine friedliche, heitere bis beschwingte Atmosphäre stellte sich ein. Ich liebe mein neues Leben in dieser Stadt. 

Wie ich all diese vielen Vorbereitungen für das Konzert gemeistert habe, weiss ich nicht mehr. Aber ich weiss, ich hatte viele helfende Hände. 

Es war angerichtet. Die Regenwolken hatten sich verzogen, die Abendsonne tauchte Hösbach in goldrotes Licht. Die letzten Gäste nahmen ihre Plätze ein. Ausverkauft! Der Pfarrer stellte die Glocken für 2 Stunden aus. Julie Griffith bestieg ihren schwarzen Friesen Hengst und stürmte, als Königin der Nacht, das Kirchgässle entlang in Richtung Marktplatz. Der Friese stellte sich auf die Hinterbeine. Furios, uns stockte der Atem. Die Zauberflöte von Wolfgang Amadeus Mozart hatte seine Bühne gefunden. 

Es wurde ein unvergesslicher Abend. Standing Ovation, mehrmalige kleine Zugaben, wir hatten nicht genug,wir wollten mehr. Genau so habe ich mir mein Ende vorgestellt. Anschließend gingen wir gemeinsam in die Kneipe. Ich stach das letzte Fass Bier an. Die Musik wurde lauter, es wurde gelacht, getanzt, es wurde ausgelassen gefeiert.

Costa räumt die Gläser auf, bläst die letzten Windlichter aus, klappt die Stühle hoch. Ich sage ευχαριστώ und καληνύχτα. Mein Merida Reacto kennt den Weg, ich habs nicht weit.

Bleibt gesund,bleibt mir treu.LG. Euer Coach

Nachspann

Tetenbüll

Tetenbüll

oder

einfach mal Luft holen

Der Wind peitscht mir ins Gesicht. Der kalte Regen lässt meine Glieder erfrieren. Mit grossem Kettenblatt stürme  ich mit meinem Merida Reacto zum Westhever Leuchtturm. Ich schmecke die salzige Seeluft. Die Nordsee ist nicht mehr weit. Am Horizont entdecke ich schemenhaft den Turm. Er ragt 40 Meter in die Höhe. Ich durchquere den Tümler Koog. Geh in den Wiegetritt. Gebe alles. Ich spüre die Gewalt der Gezeiten. Ich brauche es, ich will in die Fresse.

Seid Jahren verbringen wir unseren Familien Urlaub an der Nordsee. Jetzt schon zum 2. Mal in Tetenbüll, ein kleines Dorf auf der Halbinsel Eiderstedt. Haus Friesenfinca ist unsere Residenz für 2 Wochen. Schön liegt das Haus, eingebettet in der Dorfmitte, im Schatten der  Kirche St. Anna aus dem 1400 Jahrhundert, historischen Kolonialwarenladen Peters und dem Kirchspielkrug. Eine Institution. Hier ist mein kein Gast, hier ist man Mensch.

ST. ANNA

Es wird schlimmer. Ein Sturm braut sich über der Nordsee zusammen. Blitz und Donner, ich zähle die Sekunden. 21,22,23…Noch weit weg. Wie im Wahn trete ich in die Pedale. Umkehren, keine Option. Ich bin im Tunnel. Auf der Deichkuppe sehe ich die ersten Schafe. Dicht an dicht, um sich Schutz zu geben gegen die Gewalten der Nordsee. Flimmernt meine ich auch Personen zu entdecken. Vielleicht der Deichgraf Hauke Haien auf seinem Schimmel?

Man sagt, der Schimmelreiter hätt‘ den Teufel wohl im Bund,
kein Keuchen seines Pferdes, kein Hufschlag ward je kund.
Die Augen, sagt man, funkeln bei Ross und Reiter gleich
und wie Dämonen fliegen sie über Koog und Deich.

Es wird Mystisch. Ich denke an Papa, ich denke an Herbie, ich denke an   Emilia. Sind sie heute meine Schutzengel, die mich auf meinem Höllentrip begleiten? Ich meine sie schemenhaft in der Nebelnacht zu entdecken. Den Deich erklommen, sind es nur wenige hundert Meter  zum Westhever Leuchtturm. Mein Merida Reacto pflügt sich durch die aufkommende Flut. Ich stärke mich mit einem Schoko Riegel. Nur nicht in den Hungerast. Energie auffüllen. Geschafft, der Gigant in weiss und rot steht vor mir. Erbaut 1906, leuchtet sein Licht 21 Seemeilen tief in die schwarze Nordsee.

Westhever Leuchtturm

Ein letzter Blick. Endorphine, kleines lächeln auf den Lippen. Ich wende meine Maschine und stürme mit orkanartigen Böen an Wasserkoog, einem ehemaliges Fischerdorf, vorbei und erreiche in nie gekannter Schnelligkeit unser Ferienhaus. Die Friesenfinca in Tetenbüll. Miri, Elfie und Chablis erwarten mich sehnsüchtig und bei einem heissen Friesen Tee taue ich auf. Ungläubig berichte ich ihnen von meiner Fata Morgana auf dem Deich, auf der Tour zum Westhever Leuchtturm

Der Schimmelreiter reitet weiter durch Sturm und Nebelnacht,
ein Irrlicht zwischen Tod und Teufel, der Deichgraf hält die Wacht,
Hauke Haien hält die Wacht, Hauke Haien hält die Wacht.

Der Kuckuck weckt meinen wohligen Schlaf. Chablis schaut vorbei, stupst mich mit seiner nassen Schnauze. Auf in den Tag, auf in ein Abenteuer im Katinger Watt. Chablis, ein Hütehundmix aus den Karpaten ist seit 8 Jahren unser bester Begleiter, ein Freund fürs Leben. Er hat es uns nicht leicht gemacht. Wir mussten viel lernen. Sich sein vertrauen erarbeiten. Jeden Tag aufs Neue. Aber er gibt uns so viel zurück.

Das Katinger Watt ist ein Naturparadies für unzählige Tiere und Pflanzen. Enstanden durch den Bau des Eider Sperrwerk. Und eine Bürgerinitiative hat gekämpft. Gekämpft für die Natur, gegen den Kommerz eines Tourismuskonzeptes mit mehr als 20. 000 Betten. Jetzt leben dort zeitweise 30. 000 Nonnengänse. Ist das nicht schön.

Wir sind schon tief im Katinger Watt, laufen auf ehemaligem Meeresboden und hören gebannt dem Zwitschern der Vögel. Erreichen einen Siel, legen uns beide auf die Lauer. Ein Eisvogelmann taucht vor uns gekonnt ins Wasser, eine Entenschar (Säbelschnäbler) mit ihren Küken verstecken sich im Schilf. Eine Bisam Ratte, ein Einwanderer aus Amerika, nähert sich bedrohlich, wird aber mutig und erfolgreich vertrieben. Es ist spannend. Mit vielen Eindrücken schlendern wir an der Minister Eiche vorbei und gelangen zu unserem Parkplatz. Miri und Elfie warten mit einem leckeren Frühstück auf uns. So kann der Tag beginnen.

Auf der Lauer

Es war unser Revier. Jeden Morgen stand Chablis mit der Leine schon parat. Wir wurden zu richtigen Vogelkundler. Gerne haben wir auch das Eider Sperrwerk besucht. Seid Jahren haben sich Küstenseeschwalben, Flussseeschwalben und Lachmöven an den Mauern ihre Nester gebaut. Es ist eine aufregende Zeit im Mai diese Kolonien bei der Aufzucht ihrer Küken zu beobachten. Lohnt sich, auch gut mit dem Auto zu erreichen. Einen guten Espresso und wer will ein Fischbrötchen gibt`s auch. Lecker. Gute Infos bekommt man nicht unweit im NABU Zentrum. Die jungen Praktikanten sind mit Freude und Eifer dabei. Erklären gerne die Tier und Pflanzenwelt im Naturpark Wattenmeer.

Auch die Natur vermag uns nichts zu geben, als was wir selber ihr entgegenbringen.

Mein Merida Reacto wartet ungeduldig auf eine gemeinsame Ausfahrt. Das Wetter wurde sonnig bis heiter. Es blies eine leichte Brise. Beste Bedingungen. Mein erstes Ziel sollte die Hamburger Hallig sein.

sonnig bis heiter

Mein Rennrad schnurrt wie ein Kätzchen. Leicht fahr ich die endlos weite Strassen der friesischen Küste entlang. Land so weit das Auge reicht. Schafe mit ihren neugeborenen Lämmern säumen meinen Weg. Über einen kleinen 4 km langen Damm erreiche ich die Hallig. Hungrig steige ich vom Rad. Gut das ich ein Tisch reserviert habe. Erik Brak ist ein wirklich guter Koch und hat aus seinem Restaurant Hallig Kog ein lohnendes Ziel gemacht. Ich gönne mir ein Glas Riesling aus dem Rheingau. Mit einer Husumer Krabbensuppe werden meine müden Geister wieder zum Leben erweckt. Ein Lamm über Wiesengras geräuchert verführt mir meine Sinne. Mit Miri und Elfie, die schnöde mit dem Auto mir nach gereist sind, stoße ich auf dieses kulinarische Highlight an.

Hamburger Hallig
Am grauen Strand, am grauen Meer und seitab liegt die Stadt; der Nebel drückt die Dächer schwer, und durch die Stille braust das Meer eintönig um die Stadt.

Ein wichtiger Grund warum wir unseren Urlaub auf Eiderstedt verbringen ist der Strand von St. Peter Ording. Wir wollen doch das Meer. Es ist oft nicht da. Ebbe und Flut im Rhythmus der Gezeiten. Die Deiche versperren den Blick. Und so ist es eine feine Sache mit dem Auto auf den Strandparkplatz zu fahren. Chablis ist immer ganz aufgeregt. Er kennt den Weg zum Hundestrand auswendig. Dort stürmt er auf Artgenossen, tobt, checkt ab und die Hundeseele ist glücklich. Der Strand ist weitläufig. Reiter, Wave Boarder, Muschelsucher und Sonnenanbeter: jeder hat seinen Raum. Die Pfahlbauten am Strand sind das berühmte Markenzeichen von St. Peter. In der Strandbar 54° Nord, bei einem vitalisierenden Cappuccino lasse ich meine Blicke und Gedanken über die Nordsee schweifen. Herrlich.

SPO

Bleibt gesund, bleibt mir treu. LG EUER COACH

Auf dem hohen Küstensande

Auf dem hohen Küstensande
Wandre ich im Sonnenstrahl;
Über die beglänzten Lande
Bald zum Meere, bald zum Strande
Irrt mein Auge tausendmal.

Aber die Gedanken tragen
Durch des Himmels ewig Blau
Weiter, als die Wellen schlagen,
Als der kühnsten Augen Wagen,
Mich zur heißgeliebten Frau.

Und an ihre Türe klink ich,
Und es rufr so süß: Herein!
Und in ihre Arme sink ich,
Und von ihren Lippen trink ich,
Und aufs neue ist sie mein.

Theodor Storm (1817 – 1888)

Der Stromberg

Gravel Tour

mit
Martin Donat
lifeCycle Magazin

&

Radbande im Stromberg

Grosse Freude bei der [Radbande im Stromberg]. Martin Donat vom lifeCYCLE Magazin kündigte an, ein Reisebericht über eine 3 tägige Gravel Tour im Stromberg zu schreiben. SUPER. Unsere Heimat, unsere Berge, unsere Wälder, einfach – unser Revier!

Der Begriff Gravel kommt aus den USA und bedeutet Schotter. Ein Gravelbike ist ein umgebautes Rennrad mit dicken Reifen und kleinen Übersetzungen. Über Stock und Stein, über Schotter, Waldwege bezwingt dieses Rad jede Steigung, jeden Singles Trail und hat keine Angst vor den gefährlichsten Abfahrten

Martin Donat hatte über komoot 3 Touren geplant. Er bat die Radbande ihm noch Tipps und neue unbekannte Routen mitzuteilen. Sein Weg führte von Mühlacker, nach Heilbronn. Nachhaltigkeit und Regionalität sind seine Werte. Auf das Auto verzichten, auf lange Flugreisen. Die Bahn maximal für an An – Abreisen, kleines Gepäck, das schwerste: seine Kamera, gut verstaut im Rucksack. So kam er gut gelaunt und PÜNKTLICH am Bahnhof in Mühlacker Freitag, den 7. Mai um 9:30 Uhr an. Marc und Thomas von der Radbande nahmen ihn herzlich in Empfang. Die Stromberg Tour konnte beginnen.

Das schwerste:seine Kamera 📸 gut verstaut im Rucksack

Eine Gravel Tour zu planen ist nicht einfach. Welcher Weg ist der richtige, welcher Weg ist keine Sackgasse. Klar über GPS wird man auf komoot gut geleitet, aber ein Regionaler Guide ist dann in einigen Abzweigungen oder tief im dunklen Wald Goldwert. In der Nacht hat es viel geregnet. Einige Regenwolken durchzogen noch die Region. Die Wettervorhersage sprach aber von einem sonnigen  heissen Sommerwochenende.

TAG 1:von Mühlacker nach Freudental🚴‍♂️

Mit Marc und Thomas hat er gleich zwei super Buddies an seiner Seite. Schnell verließ man Mühlacker Richtung Illingen, querte das Lienzinger Tal und fand Problemlos den Einstieg in den Stromberg. Im Rückblick die schönen Weinberge von Ensingen, dort liegt die Quelle des Mineralhaltingen Wassers, ENSINGER SPORT, ein wichtiges Naturschutzgebiet.

Der Trend aus den USA ist bei uns angekommen. Sportlich auf Rennrädern, aber abseits befahrene Straßen durch Wiesen und Wälder, an Weinbergen vorbei, kein noch so schlechter Weg ist ein Hinderniss. Höchstens eine Herausforderung. So meisterten die Drei gekonnt die Route. Über Hohenhaslach erreichten sie Martins erste Herberge in Freudental. Am Abend saßen sie noch bei einem guten Glas Hohenhaslacher Kirchberg🍷 gemütlich beisammen und sinierten über die schönsten Ausblicke auf ihrem Weg über Stock und Stein.

Am nächsten Morgen, nach einem erholsamen Schlaf freute sich Martin gemeinsam mit Geronimo Schmidt, sein Buddie von der Radbande, auf die 2. Tour von Freudental nach Sternenfels. Geronimo, ein ausgesprochen guter Kenner der kleinsten verwinkelten Wege im Stromberg und vielleicht ein noch besserer Fotograf für die schönsten Landschaftsaufnahmen. So, sind auf dieser Tour auch bemerkenswerte Fotos unser Heimat entstanden. Freut Euch.

Hoch auf den Baiselberg, die Höchste Erhebung des Strombergs, entlang an Wiesen, Seen und dem alten Rennweg entlang. Ein alter Höhenweg, der im Mittelalter eine grosse Bedeutung hatte. Im Mittelalter wurden Rennwege im Gegensatz zur offenen Straße meist abseits von Siedlungen, gerne auf Höhenzügen und durch Wälder als geheime Direktverbindungen für kleinere Reitertruppen und Boten angelegt.

Nach vielen Fotostopps und intensiven Eindrücken erreichten sie das Weingut Häussermann in Diefenbach. Martin’s letzte Unterkunft auf seinem Weg im Stromberg. Mit einem guten Hauseigenen Glas Lemberger 🍷genoss er seinen verdienten Feierabend und freute sich auf seine letzte Tour durch die Region Stromberg Zabergäu, das Land der 1000 Hügel.

Früh weckte ihn die Sonne, bestes Morgenlicht  für die schönsten Landschaftbilder. Also, ab aufs Rad, gleich das Statif auspackend und die aufgehenden Morgensonne über den Weinbergen von Sternenfels einfangen. Das war seine Motivation.

Ich traf mich schon früh mit Marc und fuhren ihm entgegen. Auf Höhe Eppingen trafen wir aufeinander und konnte so über die Waldwege an Ottilienberg vorbei einen kleinen Stopp an der Ehmetsklinge (kleiner Stausee) einbauen. Unser Ziel war der Zweifelsberg. Dort betreibt die WG Stromberg Zabergäu ganzjährig einen Ausschank. Von dort hat man hat einen fantastischen Ausblick auf das Zabergäu. Eine nette Geste vom Vorstand  Jürgen Conz, der persönlich uns begrüßte und uns einen Einblick in die guten Weine unserer Region gewährte. So, ist das Graveln auf den Wegen des Strombergs nicht nur eine sportliche Herausforderung… 😜 Sondern eine bemerkenswerte geschmackliche Freude 🍷

Immer ein Buddie an seiner Seite 💪

Wir verabschieden uns am Zweifelsberg, die letzten Meter Richtung Heilbronn waren wohl nicht mehr spektakulär, aber zufrieden mit vielen Eindrücken verließ Martin per ICE unsere schöne Region Stromberg -Kraichgau, Land der 1000 Hügel in Richtung Sauerland. Wir sind schon auf sein nächste Ausgabe des lifeCYCLE Magazin gespannt. Werden unsere Erinnerungen die gleichen sein? Hat er Einblicke, sowie Ausblicke entdeckt die wir noch nicht kennen?

Bleibt mir treu, bleibt gesund. EUER COACH

Nachspann

Ride as much or as little, or as long, or as short as you feel. But ride

Eddy Merckx

3 Tage im Stromberg

Das Neckartal

oder
mehr als
Trollinger mit Lemberger

Im Sinne des Belgischen Kreisels fahr ich mit der [Radbande im Stromberg] mit Tempo an der Neckarschleife entlang. Wir passieren Mundelsheim, Hessigheim und steuern auf Besigheim zu. Mit großem Kettenblatt trete ich hinter dem halten Haudegen Charlie. Der Windschatten schützt mich. Mit einer kleinen Ellbogenbewegung signalisiert er mir das ich in wenigen Sekunden  im Wind fahren muss. Er schärt aus, der Wind blässt mir voll ins Gesicht. Mit  aller Kraft versuch ich das Tempo für die nächsten 200 Meter zu halten. Meine Oberschenkel brennen. Ich fahr ins Laktat. Beisse Coach, Beisse. Ich zucke mit meinem rechten Ellbogen, steure mit einer kleinen Bewegung meine Maschine nach links und  lasse mich  fallen. Benni, Thomas, Marc, Felix und Jannik rauschen an mir vorbei. Jetzt, den Anschluss nicht verlieren. In den Wiegetritt suche ich verzweifelt das Hinterrad vom Charlie, dem alten Haudegen zu erhaschen. Ja, geschafft, ich mach mich klein auf meinem Merida Reacto und nutze die Erholung wieder im Qualitätswindschatten. Meine Beine lockern. Ich schnaufe durch. Ich schaue links, der liebliche Neckar, ich schaue rechts, die Terrassenlagen vom Wurmberg. Ich denke an Wein, an Trollinger, an den Lemberger und meine erste Begegnung mit dieser alten Kulturlandschaft vor über 15 Jahren.

Beissen Coach, Beissen

Ich war ein fränkischer stolzer Winzer. Und den Württemberger Wein kannte ich nur abfällig unter der ausdruckslosen Rebsorte Trollinger. Eine Rotweinsorte, nicht Fisch nicht Fleisch. Eher ein Rosé als Rot. Viertel Schlozzer nannte man die Konsumenten. Ein Mischung mit der bessern Rebsorte Lemberger wurde daraus ein TL. Ein Trollinger mit Lemberger. In der  Geschmacksrichtung Halbtrocken –  zum abgewöhnen.

Meine neue Freundin Miriam, eine Schwäbin aus Kleinsachsenheim, die Partnerstadt von Valréas, zeigte mir stolz ihre Region. Und ich war beeindruckt. Hier oben in den Felsengärten klettere ich und drunten wächst ein vorzüglicher Wein, referierte sie. Sie hatte meine Hochachtung und Interesse geweckt.

Oben Klettern, unten wächst ein guter Wein 🍷

Ferinand Piech stellte mich wenige Tage später für seine Weinabteilung bei Feinkost Böhm ein. Beim Vorstellungsgespräch unterhielten wir uns über die grossen Weine des Bordeaux. Über Mouton Rothschild, wir sprachen über die besten Jahrgänge und ihre Reife Verläufe. Ich schwärmte von den Weinen des Burgunds, der Corton Weinberg, oder Vosne -Romanée. Er berichtete von seinem Lieblingswein La Scolca aus dem Piemont.

Über die Württemberger Weine fiel kein einziges Wort.

Feinkost Böhm

Meine neuen Kollegen merkten schnell, der hat Ahnung, hat die Welt gesehen, aber über die Württemberger Weine hat er  keinen blassen Schimmer. Mein Kollege Rüdiger Leischner und guter Freund gab mir einen Crash Kurs. Jedes Wochenende besuchte ich ein anderes Weingut. Ich lernte Gerd Aldinger kennen, ein Pionier, besuchte das Familienweingut Wöhrwag und wanderte am Rotenberg entlang. Schaute mal beim Dautel rein. Kennst Du Dautel nicht! (lieber Max 😜) Der Trollinger konnte mich immer noch nicht begeistern, aber ein Riesling vom Fellbacher Lämmler oder ein Spätburgunder vom jungen wilden Schnaitmann. Ein Merlot vom Untertürkheimer Mönchberg stand meinen Lieblingsbordeaux im nichts nach. Die gleiche Kraft, die gleiche feine fruchtbetonte Nase und die gute Struktur am Gaumen. Geprägt vom guten Barrique der besten Tonnellerie Frankreichs. Ich war geflasht. Stück für Stück bekam ich ein Gefühl für diese einzigartige Kulturlandschaft, für die Weine, für die Weinmacher.

Zwischen Besigheim und Gemmrigheim liegt ein Segment für den Segmentcup der [Radbande im Stromberg] 2021. Ich rufe den Jungs zu: Jetzt hole ich die Bestzeit! Ich starte mit meiner größten Übersetzung. 2,2 km allein gegen die Uhr. Im Sinne eines Zeitfahrer, eines Stundenweltrekordler, wie einst Eddy Merckx 1972, sitze ich auf meinem Merida Reacto und stürme  dem Ziel entgegen. 🏁

Thomas hat mal ne Zeit vorgelegt💪

Geschafft, aber doch nicht die beste Zeit, wie konnte das sein? Thomas kommt an mich herangefahren. Coach, du musst wieder kommen wenn der Wind günstig bläst. Bei meiner Bestzeit blies der Wind mit 80 km/h in Böen von hinten. So bekommt man die Bestzeit, zwinkerte er mir zu!

Ich verabschiede mich von der [Radbande im Stromberg] . Fasele etwas von „nicht guten Beinen“. Gemütlich fahr ich den Neckar entlang, abseits der Strasse benutze ich den Radweg. Über eine kleine Brücke quere ich den Neckar bei Hessigheim. An der Ecke sehe ich die grosse Winzergenossenschaft. Die Felsengarten Kellerei. Ein Terra Merlot hatte ich mal vor kurzer Zeit im Glas, sinniere ich. War gut, erstaunlich gut.  Oder ein Wein von der Serie „Schwarzer Rappe“ . Die können was. Mein Name wird gerufen, Ich schaue auf.

Es ist der Siggi, vom gleichnamigen Weingut. Komm rein, ruft er mir zu. Wir verkosten gerade die neuen Jahrgänge. Das lass ich mir nicht zweimal sagen. Er hat an der Ecke neu gebaut. Eine schöne Vinothek mit einem  grossen Findling als gedachte Theke in der Raummitte. Ich trete ein. Ich sehe die anderen Top Winzer aus Hessigheim am Findling stehen. Sie begrüssen mich herzlich. Fabian Lassak, bester Jungwinzer, Alexander Eissele vom gleichnamigen Bio Weingut Eisele von Schräg gegenüber, Fabian Alber mit der Boutique Winery ex Nicrum und dazugehöredem kleinem Garni Hotel aus der Ortsmitte. Es ist die neue Generation. Der Wein – Hot Spot Hessigheim ist versammelt.

Hot Spot Hessigheim

Sind gerade bei den Weissen, sagen sie. Schenken mir Blind ein. Könnte ein Riesling vom Muschelkalk sein. Diese kühle Frucht, trocken rassig, saftig, ein bisschen verspielt am Gaumen. Einfach lecker, sage ich. Freudiges, wohlwollendes Nicken in der Runde. Es folgt ein Sauvignon Blanc, ein Weissburgunder, im Holz ausgebaut. Wir wechseln jetzt die Farbe. Es kommen die Roten. Auch hier Blind, man will unbefangen, ohne Vorurteile an die Geheimnisse der Weine gelangen, Ehrlichkeit, Nachhaltigkeit sind die Schlagwörter. Jetzt hab ich ein Burgunder im Glas, rufe ich raus. Alle schmunzeln. Ein Trollinger aus der den Terrassen im Doppelstück ausgebaut, flüstert der Siggi. Ich glaub´s nicht, ich mag Trollinger!; ruf ich ungläubig. Ein grosses Gelächter in der Winzerrunde.

Anschließend probieren wir Lemberger, Cabernet Sauvignon und Sangiovese. Anregend wird gestritten, diskutiert, fachgesimpelt. Den richtigen Weg finden. Für die Zukunft des Weinbaus in den Terrassenlagen. Im Neckartal. Hier und Heute wird ein Weg aufgezeigt. Denke ich mir. Ich bin begeistert.

Mein Merida Reacto wartet. Ich verabschiede mich. Zolle jedem Winzer mein Respekt und Anerkennung. Hole mein Licht raus für Notfälle. Radle in die sternklare Nacht. Am Horizont sehe ich den Wurmberg mit seinen berühmten Terrassenweinbergen verschwimmen. Tief atme ich die kühle, klare Neckar Luft ein. In meiner Rückentasche ein Flasche Riesling vom Muschelkalk. Gehts mir nicht gut!

Bleibt Gesund, bleibt mir treu. LG. Euer Coach.

Nachspann

Paplitzer Strasse 32

oder

Ich bin ein Berliner!

Ich bin im Anflug mit der Pan Am Boeing 737 Clipper „Spandau“ auf den neuen Flugafen Tegel. Eine Melodie liegt mir auf den Lippen. Um mich zu beruhigen summe ich leise ein kleines Lied. Ich bin 10 Jahre alt und allein auf den Weg zur meiner Oma Gerda. Gerda Nikolaus Wohnhaft in der Paplitzer Strasse 32 in Lichtenrade, Westberlin.

Wind Nord/Ost, Startbahn null-drei
Bis hier hör' ich die Motoren
Wie ein Pfeil zieht sie vorbei
Und es dröhnt in meinen Ohren
Und der nasse Asphalt bebt
Wie ein Schleier staubt der Regen
Bis sie abhebt und sie schwebt
Der Sonne entgegen

Ich habe eine Einladung vom Radrace Team zu einem Radrennen fixed42 in Berlin erhalten. Mein Merida Reacto gut verstaut im Kofferraum mach ich mich auf den Weg in die Hauptstadt. Die Fahrt wird lange dauern. Monoton fahr ich auf der Autobahn A3 vor mich her und wieder höre ich ein Lied im Radio aus Kindheitstagen. Über den Wolken muss die Freiheit wohl Grenzenlos sein krächtze ich in mein Lenkrad. Und ich denke an meine Oma Gerda, ehemals wohnhaft in der Paplitzer Strasse 32 in Westberlin.

mal anders

Aufatmen. Sie war da, am Gate, schloss sie mich, begleitet von der netten Stewardess, herzlich in die Arme und drückte mich fest an sich. Ein spannendes Abenteuer in der geteilten Stadt konnte beginnen. Ein kleines Häuschen mit Garten am anderen Ende der Stadt nannte sie ihr eigen. Schön, einfach, beschaulich.

Sie wollte mir die Welt zeigen. Mir, dem Jungen vom Lande. Und sie hatte ein straffes Programm vorbereitet! Die erste Fahrt mit einem Doppeldecker Bus, in die Stadt, wie sie zu sagen pflegte. Im Europa Center auf ein Spaghetti Eis, warten auf die volle Stunde der Wasseruhr, anschliessend der erste Besuch eines Theater. Das GRIPS! Die Museumsinsel hoch und runter. Das Dali Museum, (anspruchsvoll für einen 10 Jährigen) am Reichstag und Brandenburger Tor vorbei, die Siegessäule erklimmen, im Kranzler auf eine heisse Schokolade und eine Abstecher zum Check Point Charlie. Am Abend glühten mir die Sohlen. Bei einem Knoblauchwurstbrod (die Salami gabs beim Kaiser) und einer Johannisbeer Schorle wurden meine Energiespeicher wieder aufgefüllt. Schlummernd, den Tag noch verarbeitend, viel ich in einen tiefen wohligen Schlaf.

fixed42 ist eine neue Radbewegung

– und die Weltmeisterschaft findet in Berlin statt.

Ankündigung von den Machern des fixed42:

Stell dir vor, nur du, dein FixedGear-Bike, deine besten Buddies und Hunderte anderer Fahrradverrückte zerschreddern die Straßen Berlins und kein einziges Auto in Sicht. Klingt zu schön um wahr zu sein – ist es aber nicht. Ein einziges Mal im Jahr, während des Velothon Berlin, bietet das RAD RACE Team allen Fixed-Fahrern mit der inoffiziellen FixedGear-Weltmeisterschaft 42 Kilometer autofreien Asphalt durch die Hauptstadt. Berlin macht sich bereit für die Fixed Gear-Weltmeisterschaft: 42,195 Kilometer gesperrte Strecke – inklusive Autobahn und innerstädtischen Straßen, auf denen knapp 700 Starterinnen und Starter aus über 25 Nationen um den Weltmeistertitel fighten. Sonntag um 14.10 Uhr heißt es dann wieder: Mit voll Speed ‚fixed‘ und ohne Bremsen durch Berlin und auf dem Weg zum Weltmeistertitel. Der Start ist in Ludwigsfelde, von dort geht’s auf die Stadtautobahn, weiter über innerstädtische Straßen in Richtung Siegessäule und über die Straße des 17. Juni zum Brandenburger Tor. Knapp 700 Fahrerinnen und Fahrer aus über 25 Nationen fighten bei den RAD RACE FIXED42 World Championships um die inoffizielle Weltmeisterschaft für Fixed Gear. Dieser anspruchsvolle Wettkampf erfordert Taktik, Geschwindigkeit und natürlich Durchhaltevermögen. Dadurch ist das Rennen für die Teilnehmer eine große Herausforderung und für die Zuschauer spektakulär und absolut sehenswert

Runter vom Berliner Ring, über den neuen Flughafen BER geht es nach Lichtenrade. Steht das Haus noch? Bin neugierig. Ich biege in die Paplitzer Strasse ein. An der Ecke der Blumenladen Kabisch, in dem hatte ich immer noch schnell einen Strauss geholt. Ah, für Frau Nikolaus!, sie war bekannt wie ein bunter Hund. Auf Kopfsteinpflaster, am Friedhof vorbei sehe ich den Zaun, verborgen hinter hohen Sträuchern, das Haus meiner Oma. Eine Zeitreise.

Berlin war immer eine Reise wert. Du bist doch nicht meinetwegen gekommen, geh raus und mach Berlin unsicher, sagte sie immer! Die geteilte Stadt, eine politische Stadt, den Ost – West Konflikt konnte man Hautnah spüren und trotzdem hatte diese Stadt so eine lockere beschwingte Atmosphäre, als würden alle Berliner in einer Super Nova Blase leben. Und insgeheim taten die Berliner das auch. Sie waren sich genug. Der Grunewald war so gross und so schön wie mein Spessart, der Wannsee so weit und tief wie die Ostsee, der Teufelsberg so hoch und steil wie der Mont Ventoux. Das Nachtleben so ausgelassen und bunt wie in meinen schönsten Träumen. Ich liebe Berlin.

Und Heute bin ich gekommen um mit meinem Merida Reacto Berlin zu erobern. Ich schaue mir die Vorbereitungen für das fixed42 Rennen an. Fahrräder umgebaut zu Rennmachinen mit grossen Kettenblätter, ohne Schaltung, ohne Bremsen. Verrückt.

1914 geboren, als Gerda Lehmann in Berlin Mariendorf. Abitur an dem Gymnasium in Tempelhof.1939 Heiratet sie Hauptmann Herbert Nikolaus unter Hitler in der Dorfkirche zu Lichtenrade. Zweimal ausgebombt. Ihr Mann, Herbert Nikolaus fällt an der der Ostfront bei Riga. Ende der Kriegstage, die Geburt der Tochter. Eine Christa, da standen die Russen schon vor den Toren Berlins. Wiederaufbau aus Schutt und Asche. Der Begriff der Trümmerfrauen geht in die Geschichtsbücher ein. Eine bescheidene Witwenrente. Aber die Tochter soll es mal besser haben. Berlin wird geteilt. Die Mauer trennt Familie und Freunde. Die Rosinenbomber retten Berlin und Kennedy spricht seinen berühmten Satz: Ich bin ein Berliner! Es geht aufwärts, der Wohlstand wächst. Man kann sich wieder was leisten. Ins KADWE,(am besten in die fünfte Etage), mal ins Kranzler auf ein Kaffee, mal in die Deutsche Oper. Aber die Ängste blieben, sie wird sie nicht mehr los. Trotz alledem, ein Selbstbestimmtes Leben. Eine starke Frau.

Mein letzter Besuch…

Das Rennen hat einen Sieger. Ich drehe noch eine Runde mit meinem Merida Reacto um die Siegessäule. Menschen applaudieren, Menschen jubeln, Menschen feiern. Ach, wie schön, Oma wäre stolz, stolz auf ihr Berlin! Auf ihre Berliner!

Bleibt gesund, bleibt mir treu, LG, Euer Coach

Nachspann

Die Pfalz

Die PFALZ

oder der KOM am Kalmit

Die schönsten Mandelbäume in der Pfalz in voller Blüte. Rotz und Wasser hat meine Mutter geheult. Ich war 16 Jahre alt und Mama hat mich, allein nur mit meinem Bianchi, am Geilweilerhof in Siebeldingen abgesetzt. Meine 3 jährige Lehre als Weinküfer begann. Das sind auf den Tag genau 30 Jahre her.

Mit meinem Merida Reacto im Windschatten der [Radbande im Stromberg] bin ich auf der Deutschen Weinstrasse unterwegs. Es ist Sommer, flierend heiss meine Erinnerungen werden wach.

Kellermeister Lutz in seinem Reich

Mein Chef, Herr Lutz, war ein Radsportler, ich hab ihn bewundert. Jeden Tag bei Wind und Wetter ist er zur Arbeit geradelt. Rennrad abgestellt, frisch geduscht, motiviert gab er mir meine morgendlichen Aufgaben. Der Forschungskeller war sein Reich. Hunderte von verschiedenen Weinen in kleinen Glasbalons lagerten, mit einem Zahlencode am Flaschenhals baumelnt um sie zu unterscheiden, im Keller. Welcher Wein ist der Beste, welcher Wein hat das Zeug mal als richtige Weinsorte mit einem feinen gut klingenden Namen in den Regalen der Vinotheken zu gelangen. Ein langer Weg. Von den interspezifischen Rebsorten Regent, Sirius und Muscaris hat man vielleicht schon gehört. Und alle Anfänge fanden in diesem kleinen Weinkeller unterhalb des Geilweilerhof in Siebeldingen statt.

Der Geilweilerhof tritt nach 600 n. Chr. als fränkische Siedlung ins Licht der Geschichte

Im Sinne des Belgischen Kreisels rollen wir entlang des Mittelgebirges Haardt. An Nussdorf, Birkweiler, Frankweiler, Gleisweiler vorbei, in den Wiegetritt bei kleinen Steigungen um nicht Tempo zu verlieren, grosses Kettenblatt wechselnd im Windschatten stromern wir in den Abfahrten in die kleinen Weindörfer rein. In Maikammer ein Espresso Stopp, nochmal einen Riegel, ein Schluck aus der Trinkflasche. Holen wir uns den KOM am Kalmit! Ruft Marc in die Runde!

wer holt den KOM am KALMIT?

Der Kalmit, die zweithöchste Erhebung des Pfälzer Waldes. 5,5 km bei einer durchschnittlichen Steigung von 7,5%. Thomas, mit seinen dicken Oberschenkeln gibt den Takt vor. Ich klebe am Hinterrad. Nicht übersäuern, mein Gang, mein Tempo finden. Ich muss abreißen lassen. Jannik springt mit einer Tempoverschärfung gekonnt in die Lücke. Benni motiviert mich an meinem Hinterrad. Beissen Coach, Beissen! Die ersten Kehren, ich finde meinen Rhythmus. Marc rauscht jetzt an mir vorbei. Soll ich mitgehen? Puls geht in den Roten Bereich. Keine Chance, ich lass ihn ziehen. Sollen sich die Jungen Batteln. Ich schaue links, ich schaue rechts. Nichts. Weit vorn sehe ich Felix, Jannik, Marc und Benni im Kampf um den KOM am Kalmit. Wer ihn wohl gewinnt? Ich nehme raus, lass meinen Blick in die Rheinebene schweifen. Die Südliche Weinstrasse, die Toscana Deutschlands. Herrlich!

der Pfälzer Wald

Es geht weiter tief in den Pfälzer Wald. An Hauenstein vorbei. Hab ich hier nicht mal auf dem Fussballplatz gekickt? Meine Erinnerungen verschwimmen. Ich erzähle den Jungs eine Anekdote: Sollte auf einen der vielen schönen Weinfesten eine Schoppen Wein holen, nichts ahnend das der Pfälzer Schoppen einen Halben Liter misst. Es wurde gesellig, lustig. Mein erster Rausch!

Raus aus dem Wald, in Sichtweite die Deutsch-Französische Grenze. Wir durchfahren das Deutsche Weintor, nehmen Kurs auf Landau, lassen ausrollen. Mein Vorschlag auf einen feinen Stopp bei einer Weinstube wird freudig angenommen. Meine Erinnerung täuscht mich nicht. Hier irgendwo muss ein gutes Weingut mit einer fantastischen Bewirtung sein. Ja, ein kleiner Weg gesäumt von Pinien…, das muss es sein. Weingut Dr. Steiner, jetzt der Sonnenhof. Ein freudiges pfälziges Hallo werden wir sympathisch begrüsst. Kommt rein auf unsere Sonnenterasse. Ich schnapp mir die Weinkarte. Ein Chardonnay, Sauvignon Blanc, ein Merlot…die Auswahl ist gross und neu. Muss mich wohl doch von der hübschen Bedienung beraten lassen. Bestell doch einfach ein Pfälzer Schoppen rät mir Marc und lacht dabei spitzbübig.

Ausgelassen, gesellig lassen wir bei einem herrlichen Sonnenuntergang den Tag ausklingen. Ich erzähle noch die ein oder andere Anekdote aus meiner Lehrzeit.

Diesen Blogeintrag widme ich allen Menschen die mich in meiner Lehrzeit in der Pfalz unterstützt und begleitet haben. Meine zwei Kellermeister Herr Lutz und Herr Gutzler meine Lehrer Herr Weissbrodt an der Weinküfer Schule in Bad Dürkheim. Mein Leichtathletik Trainer von der ASV Landau. Meine Mitbewohnerin Vivi Vasilou, Doktorantin aus Griechenland. (War heimlich in Sie verliebt😍).Es war ein guter Start. Danke.

Bleibt gesund, bleibt mir treu. LG. Euer Coach

Nachspann

Die Tour Die Pfalz oder der KOM am Kalmit zum nachfahren auf komoot. Gute Beine. Viel Spass.

Mit meiner schweren Lederjacke streifte ich durch die Nacht
Der Kampf um den KOM am Kalmit⛰️

Provence

Provence

oder

die Route de Soleil

Wir schreiben das Jahr 2021.Die Pandemie (das Virus Sars Cov 2) hat unser Leben fest im Griff. Reisebeschränkung, Quarantäne verhindern die Möglichkeit der freien Reise. Ich fühle mich hilflos, bevormundet, gegengelt und in meinem selbst bestimmten Leben eingeengt. Mein Chef hat mir Urlaub gegeben. Aber wohin? Schlagbäume, Grenzkontrollen lassen mich in meinen vier Wänden versauern. Tristesse hat mich ergriffen. Ich flüchte mich in meine Tagträume.

Radeln für Europa, die Schlagzeile im Main Echo vor 30 Jahren – mein erstes grosses Projekt meiner Abschlussklasse der Berufsaufbauschule in Aschaffenburg. 20 junge Männer auf den Drahtesseln nach Strassburg. Waren wir glücklich nach 150 km auf zwei Etappen unsere Jugendherberge erreicht zu haben. Das Bier lief in strömen. Zaghafte anbahnungsversuche mit den hübschen Mädels aus Lyon ohne Sprachkenntnisse nur mit Händen und Füssen wurde von Erfolg gekrönt. War ich stolz und glücklich. Und damit reifte die Überzeugung: wir müssen den Mut haben Grenzen zu überwinden!

Madame Truk, 90 Jahre, bescheiden, klein, tiefe Falten im Gesicht aber immer ein Süppchen auf dem Holzofenherd und einen leckeren Pastis für mich. Bin gerne auf einen Plausch zu ihr. In ihrer kleinen warmen Stube war stets ein Platz. Mein Französisch war holprig. Das machte nichts, wir verstanden uns. Ich hatte das Gefühl ich muss was gut machen. Ich, Der Deutsche. Im Ersten Weltkrieg (Stellungskrieg bei Verdun) hat sie einen Bruder verloren und im Zweiten dann auch nochmal 2 Brüder. Aber wie kann man das gut machen und warum ich. Aber ich fühlte mich immer ein bisschen schuldig. Die Gnade der späten Geburt überzeugte mich nicht.

Madame Truk

Sie war eine Zockerin vor dem Herrn. Pferdewette war ihr Metier. Da kannte Sie sich aus. Am Anfang hab ich gedacht: das ist so wie bei meiner Oma Gerda Nikolaus und der Lotterie. Immer die gleichen Zahlen und am Ende Gewinnt die Bank. Nein, ganz und gar nicht. Paar mal schickte sie mich zum Wettbüro und was ich dort an Bargeld abholte übertraf meine Künsten Träume. Was für ein französisches Schlitzohr, aber très sympa!

Le Vigneron, so hiess mein erstes kleines Geschäftle. Die Idee, bei kleinen freien Winzern (Vigneron Recoltant) im Cotes du Rhône direkt ohne Zwischenhändler einzukaufen war nach meinem Abitur geboren. Gerade in dieser Zeit entstand der Zollfreie Warenverkehr in der EU. Und ich war mit einer kleinen 9 stelligen Zollnummer mit dabei. Klar, war mein Vater die treibende Kraft. Aber ein gewisses Hollerlisches Selbsbewusstsein, nach einer 3 jährigen Lehre in der Pfalz, eigentlich alles zu können, zu wissen und schon im stillen der Weinpapst genannt zu werden.

FORD TRANSIT, da passt was rein!

Einen Ford Transit mit langen Radstand und einem Turbo war mein erstes grosse Leasinggeschäft. Da passte was rein. Unter dem Vorwand eine gute Dolmetscherin zu benötigen (was bei meinem holprigen Französisch ja auch stimmte) nahm ich meine damalige Freundin zum Übersetzen mit auf die Reise. Naja, Picknick in der Campagnie mit Baguette, Fromage, Rouge und freie Liebe unter dem azurblauen Provencehimmel war ein netter Zeitvertreib auf meinen Besuchen der kleinen Domaine et Château.

Eine Grenze überqueren. Zum Nachbarn, (der berühmte Maschendrahtzaun) die Grenze zum nächsten Dorf, die Grenze eines Bundeslandes oder die Grenze eines Staates. Von klein auf wachsen wir mit Grenzen auf. Die schlimmste Grenze war die Innerdeutsche. Ich kann mich noch an eine Reise nach Leipzig zu meinem Patenonkel Udo Elephant erinnern. Er war nicht in der Partei und der beste Jugendfreund meines Vaters. Sie hatten eine alte Mühle restauriert. In der konnten sie sich an den Wochenende frei bewegen. Das DDR Regime hörte nicht mit.

Ziemlich Beste Freunde! Eine grosse Rede zum 60 Geburtstag meines Vaters

Diese Grenze zu passieren, schwer gesichert, von weitem sahen wir die hohen Wachtürme, eine Selbstschussanlage mit Minen gepflastert macht jeden Fluchtversuch unmöglich. Im Auto wurde es still ich konnte die Anspannung meiner Eltern spüren. Alle Pässe parat und eine freundliches Gesicht aufsetzen. Half nichts. Aussteigen. Kofferraum aufmachen. Koffer für Koffer wurde gefilzt. Bis auf das letzte Ei. Sie fanden nichts. Nach was sie wohl suchten? Weiterfahren! Durchpusten, zaghaftes Lächeln, wir hatten es gepackt.

DIE MÜHLE , die Stasi hörte nicht mit!?

Mit der Erinnerung von damals, mein Ausweis suchend, fahre ich an die Deutsch-Französische Grenze. Ich überquere den Rhein. Ich sehe noch ein paar verlassene Baracken. Mehr nicht. Das soll jetzt die Grenze sein? Mein Mobiltelefon meldet sich und informiert mich über die Roaminggebühren. Ist das nicht schön. Europa. Was haben wir nicht alles erreicht in diesen Jahren! Aber dann kommts. An der ersten Mautstelle werde ich von einem Polizisten angehaltem. Wohin ich will? Provence, Valréas! Covid Test? Ja, natürlich, bien sure. Er schaut sich das Dokument genau an; Ok, bonne route!

Es ist nichts selbstverständlich. Von Heut‘ auf Morgen kann sich die Welt verändern. Grenzen empfinden viele Menschen als Sicherheit, und je unsicherer die Zeiten desto sicherer und unüberwindbar die Grenze.

Die Vorfreude steigt, im Kofferraum noch sicher eingepackt mein Merida Reacto. Ich fahre auf der Route de Soleil, im Radio trällert der Sender Nostalgie von Gilbert Bécaud alte Chansons. Ich pfeife ein bisschen mit, die Sonne lacht, die Pinien am Strassenrand bewegen sich leicht im Wind.

Es war die Papstkrone mit den Insignien der gekreuzten Schlüsseln die mein Bruder mit dem Comodore 64 auf ein Etikett designte. Domaine Maximilian war geboren. Die Weinberge lagen in der Enclave des Papstes, in Valréas. Heute nach einem langen Rechtsstreit besitzt das berühmte Chateuneuf du Pape die Rechte auf die Tiara, die Papstkrone der Gegenpäpste von Avignon. Ich laufe gerne den alten Grenzweg ab, die schon die Päpste im 13 Jahrhundert querten. Olivenhaine, Trüffelwäldchen, alte knorrige Reben und kleine farbenfrohe Lavendelfelder säumen meine kleinen Spaziergang. Daheim in der Chemin de la Fanfinette angekommen wartet Mama mit einer herzlichen Umarmung und einen vitalisierenden Espresso.

Quakende Frösche wecken meinen tiefen wohligen Schlaf. Die Sonne lacht, azurblauer Himmel, schnellfliegende Wolken. Der Mistral kündigt sich an. Ein kalter Nordwind, angenehm im Sommer bei einer leichten Brise 20 km/h, gefährlich stürmisch, kalt im Herbst und Winter! Mein Merida Reacto wartet ungeduldig im Sonnenlicht. Nochmal die Kette geölt, die Reifen auf 8 bar, Wasser in den Trinkflaschen.

Ich lass mich treiben, kenne die Gegend wie meine Westentasche. An jeder Ecke, an jedem Rond Point eine Erinnerung. Le Grand Hotel, Besitzer Misseur Gleize war der Erste den ich vor 30 Jahren nach guten Weinen in der Gegend fragte. Domaine de la Prevosse, Domaine Lumian, ja auch die Cave la Gaillard macht ordentliche Weine, aber Chateuneuf du Pape, Gigondas oder Tavel das sind Cru`s referierte er. Der Mistral treibt mich nach Chateuneuf, bei den Grossen und Berühmten bin ich abgeblitzt. Ok, dann haben die mich als Händler auch nicht verdient. Domaine la Vieille Julienne, klein unscheinbar aber welch schöne Qualität im Glas. Später höchst bewertet bei Parker!

Des vins qui ont une âme, une singularité, celle de la bienséance, de l’élégance, de la puissance dans l’équilibre. Tout simplement magnifique »

Yohan Castaing – Anthocyanes

Mein Weg führt mich nach Tavel, grosser berühmter Rosé Frankreichs. Bei Domaine Maby wurde ich damals schnell einig. Ich passiere Pont du Gard, ein berühmtes Zeugnis römischer Baukunst. Über Avignon am Papstpalast vorbei nehme ich Kurs auf den Mont Ventoux. Ich erreiche ein kleines verschlafenes Dorf. Entrechaux, hier irgendwo muss doch die Domaine Champ-Long liegen. Ah, kleines Weingut tief versteckt in den Bergen, aber eine Offenbarung für mich als junger Weinhändler. Ich hab ihn entdeckt, den Schatz. Als wär es Gestern gewesen. Jeden Wein noch auf der Zunge. Frischer spritziger Rosé, modern violett funkelnd im Glas. Der nächste Wein aus dem Fût de Chêne, schwer komplex, dunkle Schokolade am Gaumen. Und die Preise! Ich machte den Ford Transit voll bis Unterkannte! Gutes Geschäft!

Der Mistral frischt auf, er blässt in Böhen mir kalt ins Gesicht. Ich mach mich klein, sehr klein auf meinem Merida Reacto. An Vaison la Romaine vorbei, über die heimliche Olivenhauptstadt Nyons. Meine Hände, meine Füsse, der kalte Nordwind frisst sich in meine Glieder. Ausgelaugt, verfroren, mit meinen letzten Kräften erreiche ich Valréas, La Refuge (Die Zuflucht). Ich denke an den Film Chocolat mit Juliette Binoche. So wie in diesem Ausschnitt fühle ich mich. Nur eine heisse Tasse Chocolat kann mich retten. Ich taue auf.

Bleibt Gesund, bleibt mir treu.LG.Euer Coach.

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