Girodays 🇦🇹🇨🇭🇮🇹
Ich lass mich in den Liegestuhl fallen wie ein nasser Sack. In der linken Hand ein Zwetschgen Datschi und der rechten ein Becher Tirola Kola, ich nehm ein Schluck, spüle die Energie in meinen Körper. Genieße die Sonnenstrahlen auf meiner ausgezehrten Haut. Eine innere Ruhe erfüllt meinen Körper. Ein Glücksgefühl stellt sich ein. Beobachte Menschen, spielende Kinder, verschwitzte Radfahrer die sich umarmen, abklatschen, sich mit einem frisch gezapften Gösser Bier zu prosten. Der Stadion sprecher kündigt die nächsten Finisher lautstark an. Tobender Applaus halt herüber über die grüne Liege Wiese. Ich schließe die Augen, genieße den Augenblick, genieße den Triumph.
Mit einem Anruf von Jannik von den #strombergbuben hat alles angefangen: „Bist du dabei, oder bist du dabei, beim Drei Länder Giro Ende Juni, geht über den Stelvio und Ofenpass 160 Kilometer mit 3000 Höhenmeter? Ah, das Stilfser Joch, das ist doch der berühmte Anstieg mit den 48 Kehren auf über 2700 Meter NN? Ja richtig, in Österreich im Skiort Nauders ist der Start geht nach Italien und führt in den Vinschgau, Schweiz, cooles Rennen“, erläutert Jannik. Oh la la la, soviele Höhenmeter bin ich noch nie gefahren, aber einmal auf dem Dach Europas stehen reizt mich schon. OK, bin dabei! „Heute Nacht werden die Startplätze freigeschaltet, melde dich schnell an, das Rennen ist auf 3000 Teilnehmer begrenzt und oft schnell ausgebucht,“ruft mir Jannik noch schnell zu. In der Nacht, hab ich mich noch schnell angemeldet, am Morgen waren die Startplätze schon vergeben… Über dieses Rennen möchte ich euch erzählen, seid gespannt.
Der Morgen des 30. Juni ist gekommen, der Start des Drei Länder Giro in Nauders am Reschenpass um 6:30⏰ nur noch wenige Minuten. Regen am Morgen, Schnee an Stilfser Joch? Ich renn noch schnell in unsere Ferienwohnung „Haus Mondschein“….. schnapp mir Überschuhe, Handschuhe und Regenjacke, kalt verfroren stehen wir beide im letzten Startblock. 3000 Rennfahrer vor uns. Wie zwei begossene Pudel, stehen wir in der Menschenmenge, was machen wir hier eigentlich?
Es gibt mehrere Startblöcke. Wir waren im Startblock 4, im Letzten, so keine Chance auf eine gute Platzierung. Unser Motto: dabei sein ist alles und ab und zu kleine Nadelstiche setzen! Oder anders formuliert: Ab und zu in die Fresse! Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit bis wir uns langsam in Bewegung setzten. Ich höre den Stadionsprecher, ich höre laute Musik, ich höre die Anfeuerung Rufe und den Applaus der vielen Menschen am Straßen Rand. Das Race kann beginnen.
Es ist ein junges Team. Sie machen es gut. Sie lieben die Natur, sie lieben die Berge, sie lieben den Radsport. Nachhaltigkeit, Fair Play, die Girodays sind ein Green Event. Jeder der Fahrrad fährt möchte seinen CO 2 Abdruck verringern. Es ist eine RTF, es ist kein Rennen. Die Straßen werden nicht gesperrt, es wird nach der Straßenverkehrsordnung gefahren. Österreich, Italien und die Schweiz, drei Länder, drei Polizeibehörden, drei Grenzübergänge, eine verdammt schwierige Herkules Aufgabe. Mein Respekt.
Die erste Stunde war klar zu langsam, aber vor uns viele unsichere Rennradfahrer, hier im Pulk, im Peleton zu überholen wäre ein Risiko für die ganze Gruppe, für den Drei Länder Giro. Wir passieren einige Tunnel, vor uns stürzt eine Rennradfahrerin schwer, schnell ist Hilfe da, es wird gesichert und den Notarzt gerufen. Safety first. Wir passieren den Reschen See mit dem versunkenen Kirchturm von Altgraun, am Haidersee vorbei erreichen wir Glurns, Mals und schlussendlich Prad am Stilfser Joch. Dort ist der Einstieg in die berühmten 48 Kehren. 25 Kilometer und 1850 Höhenmeter sind zu überwinden.
Jeder muß sein eigenes Tempo am Berg finden. Jannik ist mal schon auf und davon, nur sein Hinterrad bekomme ich zu sehen. Den Berg lesen, sich auf Steigungen, Kurven, Kehren einstellen, seinen Puls beobachten. Gut das ich mein Pulsmesser nicht dabei habe. 😉 In Trafoi gibt es eine Labestation. Im vorbeifahren wirft mir eine junge Volontärin ein Power Bar Riegel zu. Der Zucker strömt in meine Adern. Notwendig. Ich erreiche die ersten Kehren, es wird heruntergezählt 48, 47, 46, jetzt fahren wir im dichten Wald, unter uns der brausende Wildwasserfluss, vor uns die Franzenhöhe, ein Berg Hotel, auf 2188 Meter über NN erbaut. Jetzt ein Espresso Stopp, vielleicht ein leckeren Kuchen mit Schlag Oberst? Nein, bin im Rennmodus bin im Tunnel, im Wiegetritt hole ich mir eine Kehre nach der anderen. Die Sonne brennt in den Berg, lautstarke Anfeuerung Rufe mit coolen Beats aus Musikboxen einer jungen Gruppe des Orga Teams in Kurve 14 verleiht mir Flügel. Ich fliege.
Souvenirs Shop, ein Spalier von Motorrad Fahrern, von Touristen begrüßt mich auf der Passhöhe. Welch ein Empfang. Weiter geht’s immer weiter. Windjacke zu, Handschuhe an, die gefährliche Abfahrt beginnt. Der Umbrail Pass, Grenzgebiet zwischen Italien und der Schweiz. Den Bremspunkt an Limit, mit quietschenden Carbon Felgen lege ich mich in jede Kurve, rase ich im Stile eines Tom Pidcock die Serpentinen runter. Schnell habe ich Santa Maria Val Müstair auf 1375 Meter ü. M. erreicht. Hier teilt sich die Strecke. Die große Runde geht hoch zum Ofenpass über das Engadin, die kleine Runde passiert die Schweizer Grenze und führt über das Vinschgau zurück. Vor Jahren gab es auf Schweizer Seite mehrere schwere Unfälle so das die Schweizer Behörden die Grenzen für diese Radrennen schlossen. Das aus für den Drei Länder Giro. Nach langen Verhandlungen mit dem Kanton Graubünden konnte man sich auf eine Deckelung der Radfahrer einigen und auf zwei Streckenführungen, so dass der legendäre Drei Länder Giro zum 31. Mal mittlerweile ausgetragen werden konnte. Aber nach wie vor schauen sich die Schweizer Polizeibehörden das Verhalten der Rennradfahrer mit Argusaugen an. Bloß nicht über eine Rote Ampel!
Jannik quält sich den Ofenpass hoch, ich nehme die schöne Strecke durch das Vinschgau, passiere die Grenze bei Taufers im Münstertal, nicke dem Grenzpolizisten nett zu, und erhole mich im Windschatten einer frisch zusammen gewürfelten Sechser Radgruppe. Kilometer 94 erreiche ich Burgeis in Südtirol, biege scharf in die Via Claudia Augusta ein, die Etsch ist jetzt mein ständiger Begleiter, ein wilder Fluss. „Jetzt nur noch hoch zum Rechensee,“ ruft mir ein Radfahrer motivierend zu, „dann haben wir es gepackt.“ Er sieht meinen gequälten Gesichtsausdruck, mein Tank ist leer, der Stecker gezogen. Aus der Rückentasche hole ich schnell ein Powergel raus. Ich schalte runter, gehe vom Gas, muss mich erholen. Eine taffe Frauengruppe überholt mich, ein letztes Aufbäumen, ich bleib dran, lutsch im Windschatten, genieße die Blicke in den türkis blauen Reschen See. Kitesurfer begleiten unser Runde. Das Finale wird eingeläutet. Die Österreichische Grenze, unser Ziel Nauders am Reschenpass nicht mehr weit. Grosses Kettenblatt.
Bleibt gesund, bleibt mir treu.
Der Coach (Basti)
Recovery 🇨🇭🇮🇹🇦🇹🏁
Und was ist aus Jannik, dem Strombergbub geworden? Am Ofenpass musste er leiden, oben angekommen gönnte er sich eine kleine Pause, wartete auf starke Jungs. Mit einer großen Gruppe, teilweise bis zu 100 Rennradfahrer fuhr er durch das Engadin, nie langsamer als 40 km/h. Die Norbertshöhe auf 1405 Meter ü. M. seine letzte Herausforderung, sein Finale. Stark. Gratulation 💪🏆👏