Monat: Juni 2021

Der Kulturverein

Der Kulturverein

oder

der letzte Abend

Es ist ein lauer Sommerabend. Ich biege gerade mit meinem Merida Reacto in die Fußgängerzone von Bietigheim ein. Die tiefstehende Sonne scheint mir direkt ins Gesicht. Ich kneife die Augen zusammen. Der Herrenaustatter Kittel schliesst gerade sein Geschäft. Schräg gegenüber ruft Harry von der Bar Agora: Ein schnelles kühles Tannenzäpfle? Oh ja, das tut gut, das zischt gut. Ich ziehe weiter, verabschiede mich und ruf ihm zu: bis morgen auf auf einen vitalisierenden Espresso. Gemütlich schiebe ich mein Rad durch die Fußgängerzone. Schöne Fachwerkhäuser säumen meinen Weg. Costa vom  Restaurant Falken, direkt an der Ecke vom Marktplatz, ruft mir zu: Bastian, hab noch leckeres Gyros auf dem Grill. Costa , eine Seele von Mensch, dem kann man nichts abschlagen. Ich bewundere ihn. Bei ihm fühlt man sich wohl. Ein Lied kommt mir in den Sinn: Meine kleine Kneipe von Peter Alexander.

Es gibt sie wirklich, die kleine Kneipe. Oh la la, der Zanziki hat es es in sich. Ich lass es mir schmecken. Verträumt schau ich auf den Markplatz und meine Erinnerungen führen mich nach Hösbach. Ich werde direkt in mein Bistrot Gräfenstein am Marktplatz katapultiert. Ein schönes Bistrot. Die geschwungene Theke, die provencalischen Stühle, die ockerfarbende  Wände, die romantischen Kerzen auf den Tischen. Hochzeiten Geburtstage, Todesfälle, Geschäfstessen, Rendezvous, alles hat das Bistrot gesehen und erlebt. Man fühlte sich wohl. Ich war jung, vielleicht zu jung. Ich musste es schließen. Aber nicht so einfach, nochmal richtig feiern, mit einem Paukenschlag.

Meine Nachbarin war eine berühmte Oper Sängerin. Julie Griffith. Ich bin unmusikalisch, ich kann nicht singen. Doch Sebastian, jeder kann singen, sagte sie mir mal bei einem Glas Wein. Sie gab Gesangsunterricht und hatte eine Schar guter Schüler unter sich. Sie studierten gerade die Zauberflöte ein. Hatten aber keine Bühne. Da kam mir die Idee die Zauberflöte auf unseren Marktplatz unter dem freien Himmelszelt Ur  aufzuführen.

Zu dieser Zeit war ich auch im Gemeinderat dieses Dorfes. So wird es ein leichtes sein die Genehmigung für dieses Event auf dem Marktplatz zu er halten, dachte ich mir. Passiert ja sonst nichts auf dieser tristen, trostlosen Fläche mitten im Herzen, eingerahmt von Kirche und Rathaus. Sebastian, das wird schwierig, bis unmöglich sprach der Bürgermeister Robert Hein unter vier Augen mit mir. Wenn du ein Verein wärst hätt ich eine Möglichkeit, so sind mir die Hände gebunden. Mein Ehrgeiz wurde geweckt. Ein Verein sinnierte ich, ja ein Kulturverein, das könnte die Lösung sein. Aber wie und wer hilft mir? Ich sprach meine Gäste an. Eine Handvoll konnte ich begeistern und für die Gründungsversammlung des 1. Kulturverein Hösbach e. V. einladen. Ich wusste, keiner würde den Vorsitz übernehmen. So bat ich meine Schwester Henriette. Nur pro forma, nur auf dem Papier, überzeugte ich sie. Ich mach wirklich nichts? Ja, hast mein Ehrenwort. Der Abend der Gründungsversammlung. Gekommen waren: Erich Dürr, Susanne Vincon, Gabi Paschold, Mona Junk, Thea Schulmeyer

Alle wollten mir helfen , alle hatten mit ihren Familien, mit ihren Freunden schöne Stunden im Gräfenstein. Eigentlich wollten Sie nicht das ich den Ort ihrer Geselligkeit, Ihrer Heiterkeit dicht mache. Aber sie respektierten meine Entscheidung.

Noch einen Ouzo? reist mich Costa aus meinen Tagträumen. Ja, gerne rufe ich ihm zu. Geht aufs Haus. Wie hab ich das vermisst in der Pandemie. Das war doch kein Leben. Ohne Kunst, ohne Kultur. Und ohne soziale Kontakte. Wir brauchen das, wie unser täglich Brot.

Der Brunnen plätschert, im Hintergrund höre ich leise Udo Jürgens aus der Jukebox trällern. Griechischer Wein, wie passend, denk ich mir. Ich Summe ein bisschen mit, jede Strophe, jedes Wort ist mir bekannt. Heimweh Costa?

7 Gründungsmitglieder braucht ein Verein. Die Vorsitzende hatte ich schon mal! Danke Henni. Wer macht den Zweiten, wer macht den Kassier, Schriftführer und Beisitzer? Erich hatte mal schon ordentlich eine Satzung mitgebracht. Ich hatte keinen Plan. Es wurde rege diskutiert. Susanne signalisierte sich für das Amt als Schriftführer zu Verfügung zu stellen. Gewählt. Wer macht den nun den 2.Vorstand? Mir kam ein Gedanke . Heinz Peter Rausch, ein Musiklehrer und Dirigent aus dem Ort, den können wir doch anrufen. Gesagt, getan. Er war überrascht, wir redeten auf ihn ein. Er konnte nicht anders als Zusagen. Geschafft. Erich übernahm den Job als Kassier und mit drei Beisitzern war der 1. und einzige Kulturverein in Hösbach an einem Montag um 22.33 gegründet.

Ihr hättet mal die Gesichter meiner Lieben Gemeinderäte sehen sollen, als ich den Antrag für das Open Air Konzert auf dem Marktplatz vorgetragen habe. Mund offen Kinnlade runter. Leichtes schmunzeln des 1. Bürgermeisters konnte ich kurz erkennen. Er hats mir gegönnt. EINSTIMMIG

Ich brauch 2 Flügel auf der Bühne, wirbelte Julie Griffith theatralisch wie eine große Diva mir ihre Wünsche entgegen. Aber liebe Julie, weißt du was das kostet, stotterte ich. Und die Glocken des Kirchturm müssen auch aufhören zu schlagen gab sie mir noch eine weitere Aufgabe. Sonst kann ich nicht singen. Jetzt muss ich noch mit dem Pfarrer und der katholischen Kirche verhandeln. Uih, was kommt da noch auf mich zu. 

Die Abendsonne ging hinter dem Rathaus von Bietigheim unter, Costa zündete Windlichter an. Brachte ein paar Decken. Der Bürgermeister mit ein paar Gemeinderäte schaute nach einer Sitzung noch schnell auf ein Glas vorbei. Wie damals bei mir, dachte ich mir im Stillen und wurde ein bisschen melancholisch. Eine friedliche, heitere bis beschwingte Atmosphäre stellte sich ein. Ich liebe mein neues Leben in dieser Stadt. 

Wie ich all diese vielen Vorbereitungen für das Konzert gemeistert habe, weiss ich nicht mehr. Aber ich weiss, ich hatte viele helfende Hände. 

Es war angerichtet. Die Regenwolken hatten sich verzogen, die Abendsonne tauchte Hösbach in goldrotes Licht. Die letzten Gäste nahmen ihre Plätze ein. Ausverkauft! Der Pfarrer stellte die Glocken für 2 Stunden aus. Julie Griffith bestieg ihren schwarzen Friesen Hengst und stürmte, als Königin der Nacht, das Kirchgässle entlang in Richtung Marktplatz. Der Friese stellte sich auf die Hinterbeine. Furios, uns stockte der Atem. Die Zauberflöte von Wolfgang Amadeus Mozart hatte seine Bühne gefunden. 

Es wurde ein unvergesslicher Abend. Standing Ovation, mehrmalige kleine Zugaben, wir hatten nicht genug,wir wollten mehr. Genau so habe ich mir mein Ende vorgestellt. Anschließend gingen wir gemeinsam in die Kneipe. Ich stach das letzte Fass Bier an. Die Musik wurde lauter, es wurde gelacht, getanzt, es wurde ausgelassen gefeiert.

Costa räumt die Gläser auf, bläst die letzten Windlichter aus, klappt die Stühle hoch. Ich sage ευχαριστώ und καληνύχτα. Mein Merida Reacto kennt den Weg, ich habs nicht weit.

Bleibt gesund,bleibt mir treu.LG. Euer Coach

Nachspann

Tetenbüll

Tetenbüll

oder

einfach mal Luft holen

Der Wind peitscht mir ins Gesicht. Der kalte Regen lässt meine Glieder erfrieren. Mit grossem Kettenblatt stürme  ich mit meinem Merida Reacto zum Westhever Leuchtturm. Ich schmecke die salzige Seeluft. Die Nordsee ist nicht mehr weit. Am Horizont entdecke ich schemenhaft den Turm. Er ragt 40 Meter in die Höhe. Ich durchquere den Tümler Koog. Geh in den Wiegetritt. Gebe alles. Ich spüre die Gewalt der Gezeiten. Ich brauche es, ich will in die Fresse.

Seid Jahren verbringen wir unseren Familien Urlaub an der Nordsee. Jetzt schon zum 2. Mal in Tetenbüll, ein kleines Dorf auf der Halbinsel Eiderstedt. Haus Friesenfinca ist unsere Residenz für 2 Wochen. Schön liegt das Haus, eingebettet in der Dorfmitte, im Schatten der  Kirche St. Anna aus dem 1400 Jahrhundert, historischen Kolonialwarenladen Peters und dem Kirchspielkrug. Eine Institution. Hier ist mein kein Gast, hier ist man Mensch.

ST. ANNA

Es wird schlimmer. Ein Sturm braut sich über der Nordsee zusammen. Blitz und Donner, ich zähle die Sekunden. 21,22,23…Noch weit weg. Wie im Wahn trete ich in die Pedale. Umkehren, keine Option. Ich bin im Tunnel. Auf der Deichkuppe sehe ich die ersten Schafe. Dicht an dicht, um sich Schutz zu geben gegen die Gewalten der Nordsee. Flimmernt meine ich auch Personen zu entdecken. Vielleicht der Deichgraf Hauke Haien auf seinem Schimmel?

Man sagt, der Schimmelreiter hätt‘ den Teufel wohl im Bund,
kein Keuchen seines Pferdes, kein Hufschlag ward je kund.
Die Augen, sagt man, funkeln bei Ross und Reiter gleich
und wie Dämonen fliegen sie über Koog und Deich.

Es wird Mystisch. Ich denke an Papa, ich denke an Herbie, ich denke an   Emilia. Sind sie heute meine Schutzengel, die mich auf meinem Höllentrip begleiten? Ich meine sie schemenhaft in der Nebelnacht zu entdecken. Den Deich erklommen, sind es nur wenige hundert Meter  zum Westhever Leuchtturm. Mein Merida Reacto pflügt sich durch die aufkommende Flut. Ich stärke mich mit einem Schoko Riegel. Nur nicht in den Hungerast. Energie auffüllen. Geschafft, der Gigant in weiss und rot steht vor mir. Erbaut 1906, leuchtet sein Licht 21 Seemeilen tief in die schwarze Nordsee.

Westhever Leuchtturm

Ein letzter Blick. Endorphine, kleines lächeln auf den Lippen. Ich wende meine Maschine und stürme mit orkanartigen Böen an Wasserkoog, einem ehemaliges Fischerdorf, vorbei und erreiche in nie gekannter Schnelligkeit unser Ferienhaus. Die Friesenfinca in Tetenbüll. Miri, Elfie und Chablis erwarten mich sehnsüchtig und bei einem heissen Friesen Tee taue ich auf. Ungläubig berichte ich ihnen von meiner Fata Morgana auf dem Deich, auf der Tour zum Westhever Leuchtturm

Der Schimmelreiter reitet weiter durch Sturm und Nebelnacht,
ein Irrlicht zwischen Tod und Teufel, der Deichgraf hält die Wacht,
Hauke Haien hält die Wacht, Hauke Haien hält die Wacht.

Der Kuckuck weckt meinen wohligen Schlaf. Chablis schaut vorbei, stupst mich mit seiner nassen Schnauze. Auf in den Tag, auf in ein Abenteuer im Katinger Watt. Chablis, ein Hütehundmix aus den Karpaten ist seit 8 Jahren unser bester Begleiter, ein Freund fürs Leben. Er hat es uns nicht leicht gemacht. Wir mussten viel lernen. Sich sein vertrauen erarbeiten. Jeden Tag aufs Neue. Aber er gibt uns so viel zurück.

Das Katinger Watt ist ein Naturparadies für unzählige Tiere und Pflanzen. Enstanden durch den Bau des Eider Sperrwerk. Und eine Bürgerinitiative hat gekämpft. Gekämpft für die Natur, gegen den Kommerz eines Tourismuskonzeptes mit mehr als 20. 000 Betten. Jetzt leben dort zeitweise 30. 000 Nonnengänse. Ist das nicht schön.

Wir sind schon tief im Katinger Watt, laufen auf ehemaligem Meeresboden und hören gebannt dem Zwitschern der Vögel. Erreichen einen Siel, legen uns beide auf die Lauer. Ein Eisvogelmann taucht vor uns gekonnt ins Wasser, eine Entenschar (Säbelschnäbler) mit ihren Küken verstecken sich im Schilf. Eine Bisam Ratte, ein Einwanderer aus Amerika, nähert sich bedrohlich, wird aber mutig und erfolgreich vertrieben. Es ist spannend. Mit vielen Eindrücken schlendern wir an der Minister Eiche vorbei und gelangen zu unserem Parkplatz. Miri und Elfie warten mit einem leckeren Frühstück auf uns. So kann der Tag beginnen.

Auf der Lauer

Es war unser Revier. Jeden Morgen stand Chablis mit der Leine schon parat. Wir wurden zu richtigen Vogelkundler. Gerne haben wir auch das Eider Sperrwerk besucht. Seid Jahren haben sich Küstenseeschwalben, Flussseeschwalben und Lachmöven an den Mauern ihre Nester gebaut. Es ist eine aufregende Zeit im Mai diese Kolonien bei der Aufzucht ihrer Küken zu beobachten. Lohnt sich, auch gut mit dem Auto zu erreichen. Einen guten Espresso und wer will ein Fischbrötchen gibt`s auch. Lecker. Gute Infos bekommt man nicht unweit im NABU Zentrum. Die jungen Praktikanten sind mit Freude und Eifer dabei. Erklären gerne die Tier und Pflanzenwelt im Naturpark Wattenmeer.

Auch die Natur vermag uns nichts zu geben, als was wir selber ihr entgegenbringen.

Mein Merida Reacto wartet ungeduldig auf eine gemeinsame Ausfahrt. Das Wetter wurde sonnig bis heiter. Es blies eine leichte Brise. Beste Bedingungen. Mein erstes Ziel sollte die Hamburger Hallig sein.

sonnig bis heiter

Mein Rennrad schnurrt wie ein Kätzchen. Leicht fahr ich die endlos weite Strassen der friesischen Küste entlang. Land so weit das Auge reicht. Schafe mit ihren neugeborenen Lämmern säumen meinen Weg. Über einen kleinen 4 km langen Damm erreiche ich die Hallig. Hungrig steige ich vom Rad. Gut das ich ein Tisch reserviert habe. Erik Brak ist ein wirklich guter Koch und hat aus seinem Restaurant Hallig Kog ein lohnendes Ziel gemacht. Ich gönne mir ein Glas Riesling aus dem Rheingau. Mit einer Husumer Krabbensuppe werden meine müden Geister wieder zum Leben erweckt. Ein Lamm über Wiesengras geräuchert verführt mir meine Sinne. Mit Miri und Elfie, die schnöde mit dem Auto mir nach gereist sind, stoße ich auf dieses kulinarische Highlight an.

Hamburger Hallig
Am grauen Strand, am grauen Meer und seitab liegt die Stadt; der Nebel drückt die Dächer schwer, und durch die Stille braust das Meer eintönig um die Stadt.

Ein wichtiger Grund warum wir unseren Urlaub auf Eiderstedt verbringen ist der Strand von St. Peter Ording. Wir wollen doch das Meer. Es ist oft nicht da. Ebbe und Flut im Rhythmus der Gezeiten. Die Deiche versperren den Blick. Und so ist es eine feine Sache mit dem Auto auf den Strandparkplatz zu fahren. Chablis ist immer ganz aufgeregt. Er kennt den Weg zum Hundestrand auswendig. Dort stürmt er auf Artgenossen, tobt, checkt ab und die Hundeseele ist glücklich. Der Strand ist weitläufig. Reiter, Wave Boarder, Muschelsucher und Sonnenanbeter: jeder hat seinen Raum. Die Pfahlbauten am Strand sind das berühmte Markenzeichen von St. Peter. In der Strandbar 54° Nord, bei einem vitalisierenden Cappuccino lasse ich meine Blicke und Gedanken über die Nordsee schweifen. Herrlich.

SPO

Bleibt gesund, bleibt mir treu. LG EUER COACH

Auf dem hohen Küstensande

Auf dem hohen Küstensande
Wandre ich im Sonnenstrahl;
Über die beglänzten Lande
Bald zum Meere, bald zum Strande
Irrt mein Auge tausendmal.

Aber die Gedanken tragen
Durch des Himmels ewig Blau
Weiter, als die Wellen schlagen,
Als der kühnsten Augen Wagen,
Mich zur heißgeliebten Frau.

Und an ihre Türe klink ich,
Und es rufr so süß: Herein!
Und in ihre Arme sink ich,
Und von ihren Lippen trink ich,
Und aufs neue ist sie mein.

Theodor Storm (1817 – 1888)

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