Monat: März 2021

Paplitzer Strasse 32

oder

Ich bin ein Berliner!

Ich bin im Anflug mit der Pan Am Boeing 737 Clipper „Spandau“ auf den neuen Flugafen Tegel. Eine Melodie liegt mir auf den Lippen. Um mich zu beruhigen summe ich leise ein kleines Lied. Ich bin 10 Jahre alt und allein auf den Weg zur meiner Oma Gerda. Gerda Nikolaus Wohnhaft in der Paplitzer Strasse 32 in Lichtenrade, Westberlin.

Wind Nord/Ost, Startbahn null-drei
Bis hier hör' ich die Motoren
Wie ein Pfeil zieht sie vorbei
Und es dröhnt in meinen Ohren
Und der nasse Asphalt bebt
Wie ein Schleier staubt der Regen
Bis sie abhebt und sie schwebt
Der Sonne entgegen

Ich habe eine Einladung vom Radrace Team zu einem Radrennen fixed42 in Berlin erhalten. Mein Merida Reacto gut verstaut im Kofferraum mach ich mich auf den Weg in die Hauptstadt. Die Fahrt wird lange dauern. Monoton fahr ich auf der Autobahn A3 vor mich her und wieder höre ich ein Lied im Radio aus Kindheitstagen. Über den Wolken muss die Freiheit wohl Grenzenlos sein krächtze ich in mein Lenkrad. Und ich denke an meine Oma Gerda, ehemals wohnhaft in der Paplitzer Strasse 32 in Westberlin.

mal anders

Aufatmen. Sie war da, am Gate, schloss sie mich, begleitet von der netten Stewardess, herzlich in die Arme und drückte mich fest an sich. Ein spannendes Abenteuer in der geteilten Stadt konnte beginnen. Ein kleines Häuschen mit Garten am anderen Ende der Stadt nannte sie ihr eigen. Schön, einfach, beschaulich.

Sie wollte mir die Welt zeigen. Mir, dem Jungen vom Lande. Und sie hatte ein straffes Programm vorbereitet! Die erste Fahrt mit einem Doppeldecker Bus, in die Stadt, wie sie zu sagen pflegte. Im Europa Center auf ein Spaghetti Eis, warten auf die volle Stunde der Wasseruhr, anschliessend der erste Besuch eines Theater. Das GRIPS! Die Museumsinsel hoch und runter. Das Dali Museum, (anspruchsvoll für einen 10 Jährigen) am Reichstag und Brandenburger Tor vorbei, die Siegessäule erklimmen, im Kranzler auf eine heisse Schokolade und eine Abstecher zum Check Point Charlie. Am Abend glühten mir die Sohlen. Bei einem Knoblauchwurstbrod (die Salami gabs beim Kaiser) und einer Johannisbeer Schorle wurden meine Energiespeicher wieder aufgefüllt. Schlummernd, den Tag noch verarbeitend, viel ich in einen tiefen wohligen Schlaf.

fixed42 ist eine neue Radbewegung

– und die Weltmeisterschaft findet in Berlin statt.

Ankündigung von den Machern des fixed42:

Stell dir vor, nur du, dein FixedGear-Bike, deine besten Buddies und Hunderte anderer Fahrradverrückte zerschreddern die Straßen Berlins und kein einziges Auto in Sicht. Klingt zu schön um wahr zu sein – ist es aber nicht. Ein einziges Mal im Jahr, während des Velothon Berlin, bietet das RAD RACE Team allen Fixed-Fahrern mit der inoffiziellen FixedGear-Weltmeisterschaft 42 Kilometer autofreien Asphalt durch die Hauptstadt. Berlin macht sich bereit für die Fixed Gear-Weltmeisterschaft: 42,195 Kilometer gesperrte Strecke – inklusive Autobahn und innerstädtischen Straßen, auf denen knapp 700 Starterinnen und Starter aus über 25 Nationen um den Weltmeistertitel fighten. Sonntag um 14.10 Uhr heißt es dann wieder: Mit voll Speed ‚fixed‘ und ohne Bremsen durch Berlin und auf dem Weg zum Weltmeistertitel. Der Start ist in Ludwigsfelde, von dort geht’s auf die Stadtautobahn, weiter über innerstädtische Straßen in Richtung Siegessäule und über die Straße des 17. Juni zum Brandenburger Tor. Knapp 700 Fahrerinnen und Fahrer aus über 25 Nationen fighten bei den RAD RACE FIXED42 World Championships um die inoffizielle Weltmeisterschaft für Fixed Gear. Dieser anspruchsvolle Wettkampf erfordert Taktik, Geschwindigkeit und natürlich Durchhaltevermögen. Dadurch ist das Rennen für die Teilnehmer eine große Herausforderung und für die Zuschauer spektakulär und absolut sehenswert

Runter vom Berliner Ring, über den neuen Flughafen BER geht es nach Lichtenrade. Steht das Haus noch? Bin neugierig. Ich biege in die Paplitzer Strasse ein. An der Ecke der Blumenladen Kabisch, in dem hatte ich immer noch schnell einen Strauss geholt. Ah, für Frau Nikolaus!, sie war bekannt wie ein bunter Hund. Auf Kopfsteinpflaster, am Friedhof vorbei sehe ich den Zaun, verborgen hinter hohen Sträuchern, das Haus meiner Oma. Eine Zeitreise.

Berlin war immer eine Reise wert. Du bist doch nicht meinetwegen gekommen, geh raus und mach Berlin unsicher, sagte sie immer! Die geteilte Stadt, eine politische Stadt, den Ost – West Konflikt konnte man Hautnah spüren und trotzdem hatte diese Stadt so eine lockere beschwingte Atmosphäre, als würden alle Berliner in einer Super Nova Blase leben. Und insgeheim taten die Berliner das auch. Sie waren sich genug. Der Grunewald war so gross und so schön wie mein Spessart, der Wannsee so weit und tief wie die Ostsee, der Teufelsberg so hoch und steil wie der Mont Ventoux. Das Nachtleben so ausgelassen und bunt wie in meinen schönsten Träumen. Ich liebe Berlin.

Und Heute bin ich gekommen um mit meinem Merida Reacto Berlin zu erobern. Ich schaue mir die Vorbereitungen für das fixed42 Rennen an. Fahrräder umgebaut zu Rennmachinen mit grossen Kettenblätter, ohne Schaltung, ohne Bremsen. Verrückt.

1914 geboren, als Gerda Lehmann in Berlin Mariendorf. Abitur an dem Gymnasium in Tempelhof.1939 Heiratet sie Hauptmann Herbert Nikolaus unter Hitler in der Dorfkirche zu Lichtenrade. Zweimal ausgebombt. Ihr Mann, Herbert Nikolaus fällt an der der Ostfront bei Riga. Ende der Kriegstage, die Geburt der Tochter. Eine Christa, da standen die Russen schon vor den Toren Berlins. Wiederaufbau aus Schutt und Asche. Der Begriff der Trümmerfrauen geht in die Geschichtsbücher ein. Eine bescheidene Witwenrente. Aber die Tochter soll es mal besser haben. Berlin wird geteilt. Die Mauer trennt Familie und Freunde. Die Rosinenbomber retten Berlin und Kennedy spricht seinen berühmten Satz: Ich bin ein Berliner! Es geht aufwärts, der Wohlstand wächst. Man kann sich wieder was leisten. Ins KADWE,(am besten in die fünfte Etage), mal ins Kranzler auf ein Kaffee, mal in die Deutsche Oper. Aber die Ängste blieben, sie wird sie nicht mehr los. Trotz alledem, ein Selbstbestimmtes Leben. Eine starke Frau.

Mein letzter Besuch…

Das Rennen hat einen Sieger. Ich drehe noch eine Runde mit meinem Merida Reacto um die Siegessäule. Menschen applaudieren, Menschen jubeln, Menschen feiern. Ach, wie schön, Oma wäre stolz, stolz auf ihr Berlin! Auf ihre Berliner!

Bleibt gesund, bleibt mir treu, LG, Euer Coach

Nachspann

Die Pfalz

Die PFALZ

oder der KOM am Kalmit

Die schönsten Mandelbäume in der Pfalz in voller Blüte. Rotz und Wasser hat meine Mutter geheult. Ich war 16 Jahre alt und Mama hat mich, allein nur mit meinem Bianchi, am Geilweilerhof in Siebeldingen abgesetzt. Meine 3 jährige Lehre als Weinküfer begann. Das sind auf den Tag genau 30 Jahre her.

Mit meinem Merida Reacto im Windschatten der [Radbande im Stromberg] bin ich auf der Deutschen Weinstrasse unterwegs. Es ist Sommer, flierend heiss meine Erinnerungen werden wach.

Kellermeister Lutz in seinem Reich

Mein Chef, Herr Lutz, war ein Radsportler, ich hab ihn bewundert. Jeden Tag bei Wind und Wetter ist er zur Arbeit geradelt. Rennrad abgestellt, frisch geduscht, motiviert gab er mir meine morgendlichen Aufgaben. Der Forschungskeller war sein Reich. Hunderte von verschiedenen Weinen in kleinen Glasbalons lagerten, mit einem Zahlencode am Flaschenhals baumelnt um sie zu unterscheiden, im Keller. Welcher Wein ist der Beste, welcher Wein hat das Zeug mal als richtige Weinsorte mit einem feinen gut klingenden Namen in den Regalen der Vinotheken zu gelangen. Ein langer Weg. Von den interspezifischen Rebsorten Regent, Sirius und Muscaris hat man vielleicht schon gehört. Und alle Anfänge fanden in diesem kleinen Weinkeller unterhalb des Geilweilerhof in Siebeldingen statt.

Der Geilweilerhof tritt nach 600 n. Chr. als fränkische Siedlung ins Licht der Geschichte

Im Sinne des Belgischen Kreisels rollen wir entlang des Mittelgebirges Haardt. An Nussdorf, Birkweiler, Frankweiler, Gleisweiler vorbei, in den Wiegetritt bei kleinen Steigungen um nicht Tempo zu verlieren, grosses Kettenblatt wechselnd im Windschatten stromern wir in den Abfahrten in die kleinen Weindörfer rein. In Maikammer ein Espresso Stopp, nochmal einen Riegel, ein Schluck aus der Trinkflasche. Holen wir uns den KOM am Kalmit! Ruft Marc in die Runde!

wer holt den KOM am KALMIT?

Der Kalmit, die zweithöchste Erhebung des Pfälzer Waldes. 5,5 km bei einer durchschnittlichen Steigung von 7,5%. Thomas, mit seinen dicken Oberschenkeln gibt den Takt vor. Ich klebe am Hinterrad. Nicht übersäuern, mein Gang, mein Tempo finden. Ich muss abreißen lassen. Jannik springt mit einer Tempoverschärfung gekonnt in die Lücke. Benni motiviert mich an meinem Hinterrad. Beissen Coach, Beissen! Die ersten Kehren, ich finde meinen Rhythmus. Marc rauscht jetzt an mir vorbei. Soll ich mitgehen? Puls geht in den Roten Bereich. Keine Chance, ich lass ihn ziehen. Sollen sich die Jungen Batteln. Ich schaue links, ich schaue rechts. Nichts. Weit vorn sehe ich Felix, Jannik, Marc und Benni im Kampf um den KOM am Kalmit. Wer ihn wohl gewinnt? Ich nehme raus, lass meinen Blick in die Rheinebene schweifen. Die Südliche Weinstrasse, die Toscana Deutschlands. Herrlich!

der Pfälzer Wald

Es geht weiter tief in den Pfälzer Wald. An Hauenstein vorbei. Hab ich hier nicht mal auf dem Fussballplatz gekickt? Meine Erinnerungen verschwimmen. Ich erzähle den Jungs eine Anekdote: Sollte auf einen der vielen schönen Weinfesten eine Schoppen Wein holen, nichts ahnend das der Pfälzer Schoppen einen Halben Liter misst. Es wurde gesellig, lustig. Mein erster Rausch!

Raus aus dem Wald, in Sichtweite die Deutsch-Französische Grenze. Wir durchfahren das Deutsche Weintor, nehmen Kurs auf Landau, lassen ausrollen. Mein Vorschlag auf einen feinen Stopp bei einer Weinstube wird freudig angenommen. Meine Erinnerung täuscht mich nicht. Hier irgendwo muss ein gutes Weingut mit einer fantastischen Bewirtung sein. Ja, ein kleiner Weg gesäumt von Pinien…, das muss es sein. Weingut Dr. Steiner, jetzt der Sonnenhof. Ein freudiges pfälziges Hallo werden wir sympathisch begrüsst. Kommt rein auf unsere Sonnenterasse. Ich schnapp mir die Weinkarte. Ein Chardonnay, Sauvignon Blanc, ein Merlot…die Auswahl ist gross und neu. Muss mich wohl doch von der hübschen Bedienung beraten lassen. Bestell doch einfach ein Pfälzer Schoppen rät mir Marc und lacht dabei spitzbübig.

Ausgelassen, gesellig lassen wir bei einem herrlichen Sonnenuntergang den Tag ausklingen. Ich erzähle noch die ein oder andere Anekdote aus meiner Lehrzeit.

Diesen Blogeintrag widme ich allen Menschen die mich in meiner Lehrzeit in der Pfalz unterstützt und begleitet haben. Meine zwei Kellermeister Herr Lutz und Herr Gutzler meine Lehrer Herr Weissbrodt an der Weinküfer Schule in Bad Dürkheim. Mein Leichtathletik Trainer von der ASV Landau. Meine Mitbewohnerin Vivi Vasilou, Doktorantin aus Griechenland. (War heimlich in Sie verliebt😍).Es war ein guter Start. Danke.

Bleibt gesund, bleibt mir treu. LG. Euer Coach

Nachspann

Die Tour Die Pfalz oder der KOM am Kalmit zum nachfahren auf komoot. Gute Beine. Viel Spass.

Mit meiner schweren Lederjacke streifte ich durch die Nacht
Der Kampf um den KOM am Kalmit⛰️

Provence

Provence

oder

die Route de Soleil

Wir schreiben das Jahr 2021.Die Pandemie (das Virus Sars Cov 2) hat unser Leben fest im Griff. Reisebeschränkung, Quarantäne verhindern die Möglichkeit der freien Reise. Ich fühle mich hilflos, bevormundet, gegengelt und in meinem selbst bestimmten Leben eingeengt. Mein Chef hat mir Urlaub gegeben. Aber wohin? Schlagbäume, Grenzkontrollen lassen mich in meinen vier Wänden versauern. Tristesse hat mich ergriffen. Ich flüchte mich in meine Tagträume.

Radeln für Europa, die Schlagzeile im Main Echo vor 30 Jahren – mein erstes grosses Projekt meiner Abschlussklasse der Berufsaufbauschule in Aschaffenburg. 20 junge Männer auf den Drahtesseln nach Strassburg. Waren wir glücklich nach 150 km auf zwei Etappen unsere Jugendherberge erreicht zu haben. Das Bier lief in strömen. Zaghafte anbahnungsversuche mit den hübschen Mädels aus Lyon ohne Sprachkenntnisse nur mit Händen und Füssen wurde von Erfolg gekrönt. War ich stolz und glücklich. Und damit reifte die Überzeugung: wir müssen den Mut haben Grenzen zu überwinden!

Madame Truk, 90 Jahre, bescheiden, klein, tiefe Falten im Gesicht aber immer ein Süppchen auf dem Holzofenherd und einen leckeren Pastis für mich. Bin gerne auf einen Plausch zu ihr. In ihrer kleinen warmen Stube war stets ein Platz. Mein Französisch war holprig. Das machte nichts, wir verstanden uns. Ich hatte das Gefühl ich muss was gut machen. Ich, Der Deutsche. Im Ersten Weltkrieg (Stellungskrieg bei Verdun) hat sie einen Bruder verloren und im Zweiten dann auch nochmal 2 Brüder. Aber wie kann man das gut machen und warum ich. Aber ich fühlte mich immer ein bisschen schuldig. Die Gnade der späten Geburt überzeugte mich nicht.

Madame Truk

Sie war eine Zockerin vor dem Herrn. Pferdewette war ihr Metier. Da kannte Sie sich aus. Am Anfang hab ich gedacht: das ist so wie bei meiner Oma Gerda Nikolaus und der Lotterie. Immer die gleichen Zahlen und am Ende Gewinnt die Bank. Nein, ganz und gar nicht. Paar mal schickte sie mich zum Wettbüro und was ich dort an Bargeld abholte übertraf meine Künsten Träume. Was für ein französisches Schlitzohr, aber très sympa!

Le Vigneron, so hiess mein erstes kleines Geschäftle. Die Idee, bei kleinen freien Winzern (Vigneron Recoltant) im Cotes du Rhône direkt ohne Zwischenhändler einzukaufen war nach meinem Abitur geboren. Gerade in dieser Zeit entstand der Zollfreie Warenverkehr in der EU. Und ich war mit einer kleinen 9 stelligen Zollnummer mit dabei. Klar, war mein Vater die treibende Kraft. Aber ein gewisses Hollerlisches Selbsbewusstsein, nach einer 3 jährigen Lehre in der Pfalz, eigentlich alles zu können, zu wissen und schon im stillen der Weinpapst genannt zu werden.

FORD TRANSIT, da passt was rein!

Einen Ford Transit mit langen Radstand und einem Turbo war mein erstes grosse Leasinggeschäft. Da passte was rein. Unter dem Vorwand eine gute Dolmetscherin zu benötigen (was bei meinem holprigen Französisch ja auch stimmte) nahm ich meine damalige Freundin zum Übersetzen mit auf die Reise. Naja, Picknick in der Campagnie mit Baguette, Fromage, Rouge und freie Liebe unter dem azurblauen Provencehimmel war ein netter Zeitvertreib auf meinen Besuchen der kleinen Domaine et Château.

Eine Grenze überqueren. Zum Nachbarn, (der berühmte Maschendrahtzaun) die Grenze zum nächsten Dorf, die Grenze eines Bundeslandes oder die Grenze eines Staates. Von klein auf wachsen wir mit Grenzen auf. Die schlimmste Grenze war die Innerdeutsche. Ich kann mich noch an eine Reise nach Leipzig zu meinem Patenonkel Udo Elephant erinnern. Er war nicht in der Partei und der beste Jugendfreund meines Vaters. Sie hatten eine alte Mühle restauriert. In der konnten sie sich an den Wochenende frei bewegen. Das DDR Regime hörte nicht mit.

Ziemlich Beste Freunde! Eine grosse Rede zum 60 Geburtstag meines Vaters

Diese Grenze zu passieren, schwer gesichert, von weitem sahen wir die hohen Wachtürme, eine Selbstschussanlage mit Minen gepflastert macht jeden Fluchtversuch unmöglich. Im Auto wurde es still ich konnte die Anspannung meiner Eltern spüren. Alle Pässe parat und eine freundliches Gesicht aufsetzen. Half nichts. Aussteigen. Kofferraum aufmachen. Koffer für Koffer wurde gefilzt. Bis auf das letzte Ei. Sie fanden nichts. Nach was sie wohl suchten? Weiterfahren! Durchpusten, zaghaftes Lächeln, wir hatten es gepackt.

DIE MÜHLE , die Stasi hörte nicht mit!?

Mit der Erinnerung von damals, mein Ausweis suchend, fahre ich an die Deutsch-Französische Grenze. Ich überquere den Rhein. Ich sehe noch ein paar verlassene Baracken. Mehr nicht. Das soll jetzt die Grenze sein? Mein Mobiltelefon meldet sich und informiert mich über die Roaminggebühren. Ist das nicht schön. Europa. Was haben wir nicht alles erreicht in diesen Jahren! Aber dann kommts. An der ersten Mautstelle werde ich von einem Polizisten angehaltem. Wohin ich will? Provence, Valréas! Covid Test? Ja, natürlich, bien sure. Er schaut sich das Dokument genau an; Ok, bonne route!

Es ist nichts selbstverständlich. Von Heut‘ auf Morgen kann sich die Welt verändern. Grenzen empfinden viele Menschen als Sicherheit, und je unsicherer die Zeiten desto sicherer und unüberwindbar die Grenze.

Die Vorfreude steigt, im Kofferraum noch sicher eingepackt mein Merida Reacto. Ich fahre auf der Route de Soleil, im Radio trällert der Sender Nostalgie von Gilbert Bécaud alte Chansons. Ich pfeife ein bisschen mit, die Sonne lacht, die Pinien am Strassenrand bewegen sich leicht im Wind.

Es war die Papstkrone mit den Insignien der gekreuzten Schlüsseln die mein Bruder mit dem Comodore 64 auf ein Etikett designte. Domaine Maximilian war geboren. Die Weinberge lagen in der Enclave des Papstes, in Valréas. Heute nach einem langen Rechtsstreit besitzt das berühmte Chateuneuf du Pape die Rechte auf die Tiara, die Papstkrone der Gegenpäpste von Avignon. Ich laufe gerne den alten Grenzweg ab, die schon die Päpste im 13 Jahrhundert querten. Olivenhaine, Trüffelwäldchen, alte knorrige Reben und kleine farbenfrohe Lavendelfelder säumen meine kleinen Spaziergang. Daheim in der Chemin de la Fanfinette angekommen wartet Mama mit einer herzlichen Umarmung und einen vitalisierenden Espresso.

Quakende Frösche wecken meinen tiefen wohligen Schlaf. Die Sonne lacht, azurblauer Himmel, schnellfliegende Wolken. Der Mistral kündigt sich an. Ein kalter Nordwind, angenehm im Sommer bei einer leichten Brise 20 km/h, gefährlich stürmisch, kalt im Herbst und Winter! Mein Merida Reacto wartet ungeduldig im Sonnenlicht. Nochmal die Kette geölt, die Reifen auf 8 bar, Wasser in den Trinkflaschen.

Ich lass mich treiben, kenne die Gegend wie meine Westentasche. An jeder Ecke, an jedem Rond Point eine Erinnerung. Le Grand Hotel, Besitzer Misseur Gleize war der Erste den ich vor 30 Jahren nach guten Weinen in der Gegend fragte. Domaine de la Prevosse, Domaine Lumian, ja auch die Cave la Gaillard macht ordentliche Weine, aber Chateuneuf du Pape, Gigondas oder Tavel das sind Cru`s referierte er. Der Mistral treibt mich nach Chateuneuf, bei den Grossen und Berühmten bin ich abgeblitzt. Ok, dann haben die mich als Händler auch nicht verdient. Domaine la Vieille Julienne, klein unscheinbar aber welch schöne Qualität im Glas. Später höchst bewertet bei Parker!

Des vins qui ont une âme, une singularité, celle de la bienséance, de l’élégance, de la puissance dans l’équilibre. Tout simplement magnifique »

Yohan Castaing – Anthocyanes

Mein Weg führt mich nach Tavel, grosser berühmter Rosé Frankreichs. Bei Domaine Maby wurde ich damals schnell einig. Ich passiere Pont du Gard, ein berühmtes Zeugnis römischer Baukunst. Über Avignon am Papstpalast vorbei nehme ich Kurs auf den Mont Ventoux. Ich erreiche ein kleines verschlafenes Dorf. Entrechaux, hier irgendwo muss doch die Domaine Champ-Long liegen. Ah, kleines Weingut tief versteckt in den Bergen, aber eine Offenbarung für mich als junger Weinhändler. Ich hab ihn entdeckt, den Schatz. Als wär es Gestern gewesen. Jeden Wein noch auf der Zunge. Frischer spritziger Rosé, modern violett funkelnd im Glas. Der nächste Wein aus dem Fût de Chêne, schwer komplex, dunkle Schokolade am Gaumen. Und die Preise! Ich machte den Ford Transit voll bis Unterkannte! Gutes Geschäft!

Der Mistral frischt auf, er blässt in Böhen mir kalt ins Gesicht. Ich mach mich klein, sehr klein auf meinem Merida Reacto. An Vaison la Romaine vorbei, über die heimliche Olivenhauptstadt Nyons. Meine Hände, meine Füsse, der kalte Nordwind frisst sich in meine Glieder. Ausgelaugt, verfroren, mit meinen letzten Kräften erreiche ich Valréas, La Refuge (Die Zuflucht). Ich denke an den Film Chocolat mit Juliette Binoche. So wie in diesem Ausschnitt fühle ich mich. Nur eine heisse Tasse Chocolat kann mich retten. Ich taue auf.

Bleibt Gesund, bleibt mir treu.LG.Euer Coach.

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