Ich war mal

Trainer

einer kurdischen Mannschaft!

Ich war mal Trainer einer kurdischen Fussball Mannschaft. Und so fing alles an. Mit dem Fussball hatte ich nach meiner aktiven Zeit nicht mehr viel am Hut. In meiner neuen Stadt kannte ich niemanden und keiner wusste das ich ein leidenschaftlicher Amateur Fussballer mal war. Selbst meine Frau Miriam ahnte nichts von meiner früheren Leidenschaft. Vielleicht an meinen Narben am Knie und den leichten O Beinen konnte man einen Fussballer in mir erkennen. Aber das lag lange zurück.

Selbst hatte ich einige Trainer in meiner aktiven Fussballer Zeit. An einen kann ich mich besonders erinnern. Sein Name: @HerbertHufgard. Ich weiss nicht ob er der Erfinder der Vierer Kette ist, aber Fussball war sein Leben.

Er prägte mich in der Jugend und holte mich später zu meinem Dorfverein in dem er der Trainer der 1. Mannschaft war. Wir waren Jung und Schön. Und wollten die Fußball Welt einreißen. Aber oft spielten wir viel Müll. Kurz vor Spielende, im Stand von 0:0 oder gar 1:2, machte er sich an der Seitenlinie warm, wechselte sich selber ein, ging in die Sturmspitze, (mit seinen @addidas Copas in herunter gezogenen Stutzen und hoch-gekrempelten Ärmeln – eine Kampfansage) ein Ruck ging durch die Mannschaft wie einst im Film von Bud Spencer: Sie nannten ihn Mücke.

sie nannten ihn Herbert…

Aber der Trainer hatte auch die Fähigkeit den Fussball in seinem Stellenwert richtig einzuordnen. Einmal bei einer verlorenen Meisterschaft am letzten Spieltag waren wir alle am Boden zerstört. Der Trainer fand die ersten Worte: Kopf hoch Männers, es gibt wichtigere Dinge im Leben. Damit war alles gesagt.

für gute Laune

Nun, fremd in der neuen Stadt mit einem Job der immer bis spät Abends ging, war an Fussball in einem Verein nicht zu denken. Öfters ging ich in eine Dönerbude um mir die Bundesliga oder Champions League live bei einem Glas Bier anzuschauen. Meine Frau war froh.

Es stellte sich heraus das der Besitzer ein Kurde war und in einem kleinen Fussballverein spielte und sogar Gründungsmitglied. Wir kamen ins Gespräch und er lud mich ein mal bei einem Training vorbeizukommen. Sie spielten auf einem alten Kunstrasen. Eine Hand voll Spieler begrüßten mich herzlich. Klassisch bei einem Eckchen machte man sich warm, hatte noch nichts verlernt, den ein oder anderen „Tunnler“ brachte mir gleich wohlwolliges Nicken ein. Das Bällchen lief. Nach einer halben Stunde spürte ich schon den harten Untergrund. Ich war keine Zwanzig mehr.

Und so war meine Engagement schnell verflogen. Der Austausch in der Döner Bude bei einem Glas Bier mit dem Besitzer blieb. Wir diskutierten viel über den internationalen Fussball bei Live Spielen der Bundesliga oder Champions League. Und so viel manchmal auch das eine oder andere Wort über den kurdischen Verein. Der wenig Geld hatte, geschweige denn Anerkennung. Die Spieler kamen in die Jahre und der Nachwuchs war nicht in Sicht…Man hatte kein Geld für einen Trainer, so machte den Trainerjob der ein oder andere Spieler. Was dann meistens im Streit endete. O Ton: von dir lasse ich mir nichts sagen! Ich musste nur schmunzeln und wusste auch keinen Rat.

wo lang geht’s?

Ich glaube ich fühlte mich geschmeichelt. Zwei Vorstansmitglieder des kurdischen Vereins kamen auf mich zu und boten mir, bei einem türkischen Kaffee, das Traineramt an. Ich und Trainer? Und dann noch ein Deutscher!

Den ein oder anderen Spieler kannte ich ja noch aus dem Training. Werden sie mich als Trainer akzeptieren oder bin ich nur der Notnagel, weil sie keinen dümmeren gefunden haben? Oder sich keinen besseren leisten konnten? Viele haben den Verein schon abgeschrieben! 5 brauchbare Bälle und ein Satz Trikots (kurz/ kurz, was bei Minusgraden zapfig war). Die Trainingsbeteiligung war Mau, manchmal stand ich allein auf dem Platz. Wäre da nicht der Kapitän @NodariKvilitaia aus Georgien und ein Pole Namens Jacek gewesen, hätte ich schnell das Handtuch geworfen. Aber Sonntags wollten natürlich alle Spielen. Sie konnten und mussten sogar, weil mehr als 10 bis 12 Spieler fanden sich auch zu Spieltagen nicht in der Kabine ein. Nach 60 Minuten gingen den meisten dann auch die Puste aus.

warten auf Spieler

Viele wunderten sich. Ein Trainer der nicht schreit, keinen zur Sau macht, einer der positiv denkt auch bei dem aller schlechtesten Gekicke. Das war neu und gewöhnungsbedürftig.

ein Bier verdient?

Die Spieler sind mir ans Herz gewachsen. Haben sie verloren musste ich sie aufbauen, bei einem Sieg war ich auch bisschen stolz – leider gab es nicht viele Siege!

Ich merkte, ich kann Trainer. Und es machte mir auch spass. Ein Trainingslager in Südfrankreich brachte die Mannschaft enger zusammen (viele werden sich ein Leben lang an diese vier Tage erinnern, ich sage nur Mont Ventoux) und meine Philosophie wurde zumindest toleriert. (es muss aus seiner eigenen Begeisterung und Motivation kommen, der Trainer gibt nur den Rahmen vor) Sie nannten mich Der Coach.

Vorbereitung

Die grosse Veränderung fand zur Zeit der Flüchtlingskrise statt. Der Verein hatte die Idee den jungen Flüchtlinge ein Angebot zu machen bei uns mit zu trainieren. Ich fand die Idee gut aber warnte auch vor der Verantwortung. Aber es würde natürlich dünne Spielerdecke verbessen, so glaubte man…

Der erste Waldlauf blieb mir noch gut in Erinnerung. Die geflüchteten jungen Männer waren mit Freude dabei und wollten mir zeigen das sie was können. Etwas Wert sind. Nass, verschwitzt, ausser Puste und doch freudig ist dieses obige Foto entstanden. Es war der Start für eine grosse Veränderung. Vielleicht auch für unsere Gesellschaft! Im Nachhinein bin ich immer noch meinen Stammspielern für ihr Vertrauen und Unterstützung der geflüchteten Spieler dankbar. Es war schwer, jede Woche kamen neue junge Männer und fragten ob sie mit trainieren könnten. Wir haben jedem die Hand gereicht. Darauf bin ich stolz.

mehr als 10 Spieler…

Das Prinzip: wer trainiert und Leistung zeigt spielt, konnte nicht jeder akzeptieren. So gab es natürlich Spannungen in dem verdiente Spieler des Vereins sich nicht mehr von mir genug respektiert verstanden fühlten und zogen sich zurück. Hinter meinem Rücken wurde auch bestimmt nicht nett vom Coach gesprochen.

ein Sieg

Es gab aber kein zurück mehr. Wir haben diesen Weg eingeschlagen und er war richtig und fühlte sich gut an. Die geflüchteten jungen Männer brachten auch viel Qualität mit. Mit jedem Spiel, mit jedem Sieg kam Vertrauen und das Selbstbewusstsein zurück. Die Integrationskraft des Fussball kann so stark und mächtig sein. Es gibt kein Schwarz, kein Weiss, es gibt kein Kurde, kein Deutscher, kein Türke oder Pole. Es gibt kein Christ, kein Islamist und kein Jeside. Es gibt nur: kannst du kicken oder nicht! Das war auch zu meiner Zeit unter @Herbert Hufgard so.

dafür eine Urkunde.Danke

Dies sind meine Erinnerungen von 4 Jahren als Coach für einen kurdischen Verein. Diesen Blogeintrag widme ich allen Spielern die unter mir trainiert haben. Danke. LG Bleibt mir treu. Euer Coach